Verstanden

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Reisebericht

Auf 6,5 Metern solo über den Atlantik



Auf 6,5 Metern solo über den Atlantik

14. April 2016
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Am 19. September 2015 war es endlich soweit. Nach vielen Qualifikationsrennen und noch viel mehr Vorbereitung überquerte ich endlich die Startlinie des Mini Transat. Seit meiner Uni-Zeit vor fünf Jahren hatte ich unaufhörlich darum gekämpft, bei dem Rennen starten zu können, das  allgemein als der Test schlechthin für junge Segler gilt.

Douarnenez, Frankreich. Sicherheitschecks, besuchende Schulklassen und ein unglaubliches Programm im Regattadorf sorgen für Abwechslung. Der Start ist in zehn Tagen, doch je näher das Datum rückt, desto mehr ändert sich auch das Klima vor Ort. Vielen der 72 Skipper wird jetzt erst bewusst, dass sie tatsächlich solo über den Atlantik starten.

Mir geht es genauso und leicht abwesend werde ich nun aus dem Hafen geschleppt. Die neuen Segel passen wie die Faust aufs Auge, der Autopilot funktioniert und die Stromversorgung durch Brennstoffzelle und Solar ist getestet. Die letzten Tage fühlten sich mulmig an, trotz der Gewissheit nichts mehr vorbereiten zu müssen.

Die Vorhersage - wenig bis kein Wind. Sehr entspannt, doch nach der ersten Nacht rütteln die Windbedingungen doch schon ganz schön an den Nerven. Nach einem mittelmäßigen Start hatte ich die Bucht irgendwo unter den ersten 15 verlassen. Doch am nächsten Morgen liegen wir alle nebeneinander in der Flaute.

Am ersten Tag stelle ich fest, dass meine Brennstoffzelle kein Methanol mehr ansaugt und die Batterien nicht lädt. Ich entscheide mich nicht nach Douarnenez zurück zu segeln - ich war inzwischen fast 120 Meilen entfernt und hätte mich Am Wind zurück kämpfen müssen. Stattdessen schlage ich eine südlichere Route ein, um auf dem Weg, um Kap Finisterre in La Coruña anzuhalten. So verschenke ich am wenigsten Distanz, auch wenn ich die vorhergesagte Front erst später erreichen werde und das ideale westliche Routing komplett ignorieren muss.

Die erste Etappe geht so schnell zu Ende. Zwar lege ich mit reparierte Brennstoffzelle und einem Benzin-Generator nach 12 Stunden wieder ab, doch  verliere ich rund 350 Meilen auf die Führenden. 

Im Klassement der 24 Stunden Etmale liege ich trotzdem mit 220 Seemeilen an 11. Stelle.

Da geht noch was!  Ich habe große Hoffnungen für die zweite Etappe, die vier Wochen später von Lanzarote nach Guadeloupe starten soll.

 Mit zwei Reffs im Groß und dem mittleren Spi fliege ich dann mit 15 bis 16 Knoten Afrika entgegen. Immer wieder höre ich über Funk, dass andere Boote ihre Probleme den die Begleitbooten meldeen: Zerrissene Spinnaker, gebrochene Bugspriete, nicht funktionierende Autopiloten. Bei mir läuft alles glatt. Die Geschwindigkeit stimmt. Der Autopilot steuert und  ich kann andere (moderne)Prototypen vor mit als Toplicht oder auf dem AIS sehen.

Nach Mitternacht halse ich vor der afrikanischen Küste. In weniger als 12 Stunden habe ich mehr als 150 Meilen zwischen mich und die Startlinie gebracht. Wahnsinn!

In den frühen Morgenstunden nimmt der Wind wieder ab, dch die Welle bleibt. Ein Stecker folgt.  Der Bug bleibt in der  Welle hängen und die nächste  holt mich von hinten ein: Sie flutet das Cockpit und rollte durch das Luk ins Innere. 200 bis 300 Liter Wasser im Boot. Ein Teil davon schwappt ins Heck und setzt die Brennstoffzelle unter Wasser. Am nächsten Tag zeigt sich,  dass die Widerstände der Hauptplatine durchgeschmort sind.

Ich kann mein Pech nicht fassen. Wieder die Stromversorgung, wieder umgehend nach dem Start. Wie schon in der ersten Etappe entscheide ich mich weiter zu segeln, um im schlimmsten Fall auf den Kap Verden anhalten.

Die Solarzelle hilft mir Toplicht und GPS am Laufen zu halten. Für den Autopiloten reicht es natürlich nicht und nach einem Tag wird auch das bisschen Strom aus der Solarzelle knapp. Wenn ich vorher noch mit der Idee gespielt hatte, das Rennen nur mit der Solarzelle zu segeln, ist jetzt klar, dass ich auf den Kap Verden anhalten muss.

In Mindelo treffe ich auf drei weitere Minis und  eine Stunde nach mir legt eine weitere an. . Drei der fünf Minis vor Ort hatten bereits aufgegeben. Von ihnen kann  Teile der Ausrüstung übernehmen: Alberto Bona von onlinesim.it leiht mir seine Brennstoffzelle für die letzten 2000 Meilen. Einzige Bedingung ist, dass ich mich zumindest bis zum nächsten Morgen schlafen lege.

17 Stunden später lege ich wieder ab. 12 Stunden später bin ich wieder zurück und bereit alles hinzuschmeißen. Kurz vor der letzten Kap Verden-Insel hatten die Batterien gemeldet, dass sie nicht mehr geladen werden.

Von allen Booten im diesjährigen Transat bin ich wohl der einzige der aufkreuzen muss. Dank Flautenzone hinter den Inseln dauert der Rückweg länger, was mir genügend Zeit für Wut und Selbstmitleid lässt.

Ich fürchtet, dass der Trip nach Mindelo die Batterien zu stark mitgenommen hat. Glücklicherweise liegt der Fehler dann aber doch an dem Stecker der Brennstoffzelle, den ich logischerweise mit der Zelle gleich mit geflutet hatte. Da es denn Stecker auf der Insel schlichtweg nicht gibt, lag es am Yachtservice vor Ort, ihn mit einem wildenMix aus Säure und Lötzinn wieder flott zu kriegen.

Als ich schließlich wieder ablege, bin ich zwar froh, wieder zu segeln, doch die Stimmung ist im Keller. Vom Rennen bleibt nur noch das Abenteuer, was nach zwei Jahren Vorbereitung nicht besonders tröstlich ist.

Ich logge noch immer recht passable Etmale. In der ersten Nacht überholt ich einen 50-Fuß-Katamaran in Lee. Wie bereits beim Start in Lanzarote ist der Ritt nicht von dieser Welt.

So hatte ich mir das Transat vorgestellt: Lange Wellen, Wind und jede Nacht Russisch Roulette mit Gewitterwolken, die einem aus heiterem Himmel 30 bis 45 Knoten bescheren. Die Sterne verschwinden, der Wind steigt langsam und ein paar Sekunden später liegt der Mast im Wasser. Also Spi runter, Großsegel reffen und ins Dunkel starrend an Deck ausharren. Nach und nach werde ich mutiger und behalte den Spi oben. Wenn man die erste Minute überlebt, sind es meist nur noch etwa32 Knoten. Das kann man aussteuern und ist dabei auch noch extrem schnell.

Es fühlt sich komisch an, als ich zehn Tage später im Morgengrauen in Guadeloupe ankomme. Die letzten drei Tage waren  von wenig Wind geprägt und ich war ungeduldig. Einerseits weiß ich, dass ich seit Mindelo sechs Boote und über 350 Meilen auf den nächsten Proto aufgeholt habe, andererseits bin ich zutiefst enttäuscht, das Rennen auf diese Art zu beenden.

Dementsprechend überquere ich die Ziellinie mehr oder weniger schweigend. Im Schlepp registriere ich die lange Reihe von Booten, die bereits im Hafen liegen. Wenig später lege ich an und wurde überrumpelt. Menschen! Nach zehn Tagen ohne jeglichen Kontakt ein ziemlicher Schock. Drei Minuten später flieg ich auch schon ins Wasser. Scheint Tradition zu sein. 

Und jetzt? Die zweite Etappe zu verdauen, dauert lange..

Drei Monate nach dem Rennen juckt es trotzdem schon wieder. Mache ich das Rennen noch einmal? Ich weiß es nicht. Und wenn, dann nur auf einem neuem Boot. Mit Podiumschancen!

Dominik Lenk 

 

 

 

Dominik Lenk, 26, ist während seines Studiums in Southhampton aufs Hochseesegeln gekommen und heuerte für seine erste Mini-Regatta noch am Steg als Co-Skipper an. Inzwischen arbeitet er u.a. als freier Grafiker für die Deutsche Segel-Nationalmannschaft. Damit es mit der Mini-Transat klappen konnte, hat der TO Dominik Lenks Teilnahme im Vorfeld unterstützt. 


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