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Reisebericht

Chagos – das vergessene Paradies Teil 1 - SY Taurus



Chagos – das vergessene Paradies Teil 1 - SY Taurus

28. November 2014
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Ankerplatz-1


SY Taurus berichtet

Welcher Segler kennt ihn nicht, diesen Stecknadelkopf mitten im Indischen Ozean. Geschichten über Schiffbrüchige die Jahre auf Chagos verbrachten bis ihr Schiff wieder seetüchtig war um die nächsten tausend Meilen nach Westen zu überstehen. Geschichten von komischen Käuzen die Kokosnüsse mit der Schrotflinte oder der Kettensäge von der Palme holten oder Geschichten über totkranke Segler, die sich diesen paradiesischen Ort zum Sterben ausgesucht haben. Diese und noch viele Weitere, aus der Segelliteratur der siebziger und achtziger Jahre, geben diesem Fleckchen Erde immer noch einen Hauch von Mystik und machen ihn zu einem Shangri-La für Segler. Angezogen wie die Mäuse vom Speck legten die Fahrtensegler auf ihrem Weg nach Westen einen kürzeren oder meist längeren Stop hier ein. Das führte dazu, dass in Spitzenzeiten bis zu neunzig Yachten gleichzeitig in den relativ begrenzten Ankerplätzen standen und ihren Traum von „Einsamkeit“ lebten. Erst als 2007 eine relativ teure Ankergenehmigung eingeführt wurde, hat sich dieser Trend umgekehrt und später, da aufgrund der Piratengefahr kaum mehr Yachten durch den Suezkanal fuhren, lag Chagos plötzlich nicht mehr auf der Autobahn der Fahrtensegler. Jetzt kommen nur mehr selten Schiffe, und diese vor allem im September, vorbei. Wenn man das Glück hat, wie wir, kann man mehrere Wochen in völliger Einsamkeit Robinson spielen und Chagos wie zu seinen Anfängen erleben.

Das Chagos Archipel beginnt dreihundert Seemeilen südlich der Malediveninsel Addu, kurz unterhalb des Äquators. Geografisch gehört es somit eher zu den Malediven jedoch politisch zu Großbritannien, genauer gesagt zum British Indian Ocean Territory, kurz BIOT genannt. Die vier Atolle gehören zum letzten Rest der ehemals sehr umfangreichen britischen Besitztümer im Indischen Ozean. Diesen Brückenkopf jedoch haben sich die Briten als letzte Bastion gesichert, wirtschaftlich natürlich völlig unbedeutend, jedoch militärisch der günstigste Platz im Indischen Ozean. 1966 wurde Diego Garcia, das größte Atoll des Archipels, für 50 Jahre an die USA verpachtet und zum wichtigsten Nuklearstützpunkt des Indischen Ozeans ausgebaut. Zu diesem Zweck wurden sämtliche Bewohner des gesamten Archipels bis 1973 zu den Seychellen und nach Mauritius, die damals auch zur Krone gehörten, zwangsumgesiedelt. Obwohl der Pachtvertrag bald auslaufen wird, glaubt keiner dass die Vereinigten Staaten ihren Stützpunkt so bald aufgeben werden. Zwar wurde die Zwangsumsiedelung der Chagosianer 2005 vom obersten Gerichtshof in London als illegal erklärt und die Rückkehr zu ihren Inseln, ausgenommen Diego Garcia, erlaubt. Jedoch wurde dieses Recht aufgrund fehlender Infrastruktur und Unterstützung aus London bis heute nicht in Anspruch genommen.

Heute dürfen nurmehr die Atolle Peros Banhos und Salomon Islands von Seglern angelaufen werden, Diego Garcia hingegen nur im absoluten Notfall. Das Permit erlaubt nur zwei Ankerplätze in Salomon Islands und drei sehr offene Ankerplätze in Peros Banhos. Ankern außerhalb dieser Plätze oder ohne Erlaubnis wird mit sehr hohen Geld- oder gar Gefängnisstrafen geahndet. Schon lange vor dem Eintreffen muss man das Permit bei der BIOT (BIOTadmin@fco.gov.uk) in London beantragen und 50,-GBP pro Woche an die Royal Bank of Scotland überweisen und auf eine Bestätigung warten. Rund eine Woche bevor man Chagos erreicht, kann man noch die genaue Ankunftszeit ändern und erhält dann endgültig das digitale Permit. Ein Patrouillenboot des BIOT macht alle paar Wochen einmal Halt in den Atollen und kontrolliert sorgfältig die Papiere.

Obwohl die gesamte Literatur aufgrund des Windes davor warnt, diese Strecke im Juli oder August zu machen, starteten wir Ende Juli vom australischen Cocos Keeling aus. Die ca. 1600 NM über den Indischen Ozean, wurden ein rasanter, jedoch sehr angenehmer Ritt. Leider bricht uns am Weg, und das natürlich Mitten in der Nacht, die Ruderwelle unserer Windsteueranlage entzwei. So müssen wir in stockdunkler Nacht, bei drei Meter hohen Wellen alles demontieren und zum Glück verlieren wir keinen Teil. Am nächsten Morgen wird dann das drei Meter lange und rund 25kg schwere Rohr auf hoher See geschweißt. Vier Tage vor Plan taucht der Palmensaum der Salomon Islands bei trüben, regnerischen Wetter vor uns auf. Bei mäßiger Sicht tasten wir uns durch den sehr seichten Pass im Nordwesten der Lagune und anschließend, Zick Zack durch die Riffe zu der Sandzunge zwischen der Isla Takamaka und Isla Foquet. Schließlich knapp vor Mittag fällt dann unser Anker in das türkise Wasser der Lagune. Zur Feier der Ankunft köpfen wir eine Flasche Rotwein und essen einen Teil unseres, noch kurz vor der Riffeinfahrt gefangenen Thunfisches. Langsam wird uns bewusst, dass wir uns ziemlich genau in der Mitte des Indischen Ozeans befinden. Wir haben in den letzten drei Monaten knapp 4800NM zurückgelegt, eigentlich viel zu schnell für uns, jedoch die Saison im Indik ist kurz und zu Beginn der Zyklonzeit, Ende November, wollen wir bereits in Südafrika sein.

Nach einem kurzen Regenschauer reißen die Wolken auf und wir realisieren, dass wir alleine in der Lagune stehen, nur zwei Wracks von Segelbooten ragen mehr oder minder vor uns aus dem Wasser. Solche Anblicke erinnern uns immer daran, wie vergänglich unser Glück eigentlich ist. Das Beiboot ist rasch aufgebaut und wir an Land, nach 14 Tagen Überfahrt wollen wir uns endlich wieder die Füße vertreten. Dichter Dschungel erwartet uns, die Kokospalmen ragen über das Wasser und sind prall voll mit Nüssen. Ein Weiterkommen ohne Machete scheint unmöglich, man merkt, dass der Mensch hier seit Jahrzenten nicht mehr eingreift, unsere üblichen Inselumrundungen zu Fuß müssen warten. Nach ein paar Tagen, mit der Sonne im Rücken und bester Sicht tasten wir uns durch den riffgespickten Südwesten der Lagune, einer von uns steht auf der Saling und dirigiert von oben, knapp an den gefährlichen Riffen vorbei, zum Ankerplatz vor die Insel Baddam. In diesem, vor Korallenköpfen strotzendem Gebiet braucht es lange einen geeigneten Ankerplatz zu finden, wir wollen hier doch für einige Zeit sicher und unbesorgt ankern. Nicht nur die starken Passatwinde sondern auch gefährlichen Squalls (Gewitterböen mit starken, drehenden Winden) und der vorwiegend aus Korallen bestehende Grund müssen berücksichtigt werden.

Auf der Insel Baddam war bis zur Absiedelung der Bevölkerung eine Kopraplantage und ein ansehnliches Dorf. Diese Insel war auch der Hauptstützpunkt der Seglergemeinde, noch heute zeugen der verfallene „Chagos Yachtclub“ am Strand, die Waschstelle mit dem Brunnen, die Räucher- und Brotbacköfen sowie das halbvergammelte Volleyballnetz davon. Da jedoch nur mehr wenige Boote kommen und diese nicht all zu lange bleiben ist das meiste schon verfallen. Dasselbe gilt auch für die Betriebsgebäude der Plantage sowie das Dorf, seit die Segler die Gebäude nicht mehr regelmäßig benutzen und pflegen, holt sich die Natur alles wieder zurück. Wir kennen Bilder des Ortes von 2007 und können gar nicht glauben wie sich alles in diesen paar Jahren verändert hat. Wir schlagen uns mühsam mit der Machete einen Weg und es braucht einige Tage um den Hauptplatz des Dorfes mit der 1935 erbauten Kirche und der Krankenstation zu finden. Die vielen Artefakte sind in den letzten Jahren verschwunden, über bleiben nur die dicken Korallenziegelmauern mit eingestürzten Tür- und Fensterdurchlässen. Die ehemalige Funktion der Gebäude lässt sich nur mehr erahnen, nur die leere Hülle der Kirche ragt nach wie vor fast unbeschadet empor….

Fortsetzung folgt ….


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