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Mein Freund “Gulfy”– Ein Atlantik Märchen

10. Februar 2012
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von Susanne Huber-Curphey, „So Long“,  41' Sloop
Tony Curphey,                   „Galenaia“, 27' Sloop
Look up „So Longs“ position report at: www.shiptrak.org (call sign N1QFE)

© Wikipedia     http://de.wikipedia.org/wiki/Golfstrom

"Der Golfstrom ist eine warme, rasch fließende Meeresströmung im Atlantik. Durch seinen Wärmetransport wirkt er wie eine große Heizung, dank derer große Teile West- und Nordeuropas, ein wärmeres Klima aufweisen, als aufgrund ihrer hohen geographischen Breite zu erwarten wäre.
Der Golfstrom befördert pro Sekunde mehr als 100-mal so viel wie alle Flüsse auf der Welt zusammen. Er transportiert etwa 5 Petawatt Leistung. Dies entspricht der Leistung von ungefähr einer Milliarde Kernkraftwerken.”

 

 

 

Ich will Euch von GULFY aus meiner Sicht berichten.

image© Wikipedia

Gulfy und ich kennen uns seit vielen Jahren. Schon 1989 hat er mich wie auch viele andere Segler bei meiner ersten Atlantiküberquerung in die Karibik freundlich angeschoben und uns jeden Tag etwa 15 Meilen geschenkt. Gulfy macht das gerne, er kennt den Atlantik bestens und freut sich über Gesellschaft. Später wird der junge Gulfy dann zum erwachsenen Mann und will lieber Mr. Gulf Stream genannt werden.


Gulfy entsteht meiner Meinung nach bereits im Atlantik, wo er von seiner Mutter, der feschen NE Passatwindin gehegt und gewärmt wird. Tag und Nacht und an jedem Tag des Jahres streicht sie ohne Unterbrechung liebevoll über Gulfy hinweg, der sich immer wärmer und wohler fühlt. Die Windin bringt auch viele Segler zum Träumen und wie für mich ist sie daran schuld, dass Karibikträume so einfach wahr werden.
Die Kindheitsspielwiese von Gulfy streckt sich von den Kanaren und den Kap Verden bis auf die andere Seite des Atlantiks. Auf seinem langsamen Weg nach Westen sieht sich Gulfy dann in Ruhe die Windward- und Leewardinseln an und weiß noch gar nicht, dass er im Karibischen Becken bald gefangen sein wird. Jung und ungezähmt ist er aber doch ein guter Junge und dass im Sommer Hurricanes auch seine Kraft benutzen, ist doch nicht seine Schuld.


Sowohl die NE Passatwindin als auch Gulfy wollten wohl nicht, dass wir es zur Windward Passage, östlich von Kuba schafften. Noch über 300 sm NW von Kolumbien blies es mit 7 Bft Nordost, unmöglich da den Kurs anliegen zu können. Tony und ich drehten beide ab nach Lee und planten die um 700 sm längere Passage via Florida!
Sich seiner Kraft noch kaum bewusst wird Gulfy zum ersten Mal vor Mittelamerika eingeengt, wo es zwischen Jamaica und Nicaragua eng und flach wird. An Stellen wie der Rosalind Passage („So Long“ am 4. Tag auf See), lässt er zum ersten Mal seine Muskeln spielen. Wir begrüßen uns nach langer Zeit wieder, während er uns mit bis zu vier Knoten durch die etwa 50 sm lange Engstelle schiebt. Mutter Windin sieht ihm kritisch über die Schulter, bläst von raumschots und Gulfy bleibt ganz ruhig und brav. Von den in der Seekarte gewarnten 'races' ist nichts zu sehen.
An der Westspitze von Cuba merkt Gulfy, dass seine grenzenlose Freiheit vorbei ist („So Long“ rundet am siebten Tag Cabo San Antonio mit knapp über 1000 gesegelten Meilen). Der Gulf von Mexico ist eine Sackgasse, da kann er nur ein paar unnütze Wirbel drehen. Ob er es nun will oder nicht, er muss fast eine 180 Grad Drehung machen! So presst er sich also zuerst zwischen Kuba und Mexico (Yucatan Channel, 80 sm breit) und dann zwischen Kuba und Florida durch (65 sm zwischen Havanna und Key West). Ungeduldig beginnt er zu Drängeln.


Mutter Windin kommt irgendwie auch nicht weiter, denn die Berge von Mittelamerika sind ihr total im Wege. Sie will es warm haben, schickt aber ihren Gulfy nach Norden. Beim Abschied streicht sie ihm südlich der Florida Keys, jetzt in entgegengesetzter Richtung, nochmal übers Haar, das sich an der Meeresoberfläche auch gleich unschön verwuschelt (Für „So Long“ bringt das am 8.-11. Tag kurze steile See und  genau 23 Mal in der Minute stampften wir in die ruppige Welle, also auf und ab so gut wie im Sekundentakt.  Aber Gulfy half mir so gut er konnte, mit etwa 2,5 Knoten nach Osten, was sich wirklich nur bei den Wendewinkeln zeigte, die mit genau 90 Grad einmalig waren. Unser Kurs verlief wie eine Bergkette vor der Nordküste von Kuba. Wenn es ruhiger wurde, dann wieder eine Wende um im vollen Schub der günstigen Strömung zu bleiben. Kreuzschläge von 90 Meilen hin und etwa 50 Meilen her).


Die Passatwindin ist am Ende, nach all den vielen tausend Meilen über den gesamten Atlantik! Bei 26 Grad Nord ist es ihr eindeutig zu kalt, da kann sie nicht hin, also versucht sie durch ein paar Engstellen in den Pazifik zu entfliehen. Bei Tehuantepec und bei Golfito faucht die verärgerte Windin über Mittelamerika und vielleicht findet sie im weiten Pazifik einen neuen Gefährten?
Aber Gulfy wird erwachsen und kommt jetzt alleine zurecht, auch ohne die Windin. Nun sind ihm die Bahama Inseln im Osten im Weg und draufgängerisch quetscht er sich durch eine Enge, die eigentlich viel zu klein ist für den kräftigen Teenager. Vor Miami riecht Gulfy die Freiheit des Nordatlantik und er beeilt sich, dort hinzukommen! Über eine Breite von nur noch 40 Meilen und eine Wassertiefe von etwa  600 Metern rauscht er mit bis zu vier Knoten hindurch, wie durch eine Düse beschleunigt. Die Strömung entspricht einem gut fließendem Fluss wie der Donau, aber eben nicht 80 Meter sondern fast 80 Kilometer breit! Kluge Wissenschaftler meinen, er sei nun kräftiger als alle Flüsse der Welt gemeinsam!
Am 10. Tag hatte ich vor den Florida Keys plötzlich totale Flaute! Der Ozeanschwell und auch die Welle ist hier in Lee der „Great Bahama Bank“ wie weggezaubert. Ich berge alle Segel und genieße die Ruhe. Bei total glatter See schwimme ich eine Runde. Ich mache das nicht gerne, habe Schiss alleine im tiefen Wasser, weil ich ja vielleicht nicht so alleine bin da unten.... Die Sonnenstrahlen zeigen mit langen Fingern in die dunkelblaue, unendliche Tiefe, das Wasser ist unglaublich klar. Ich bleibe gar nicht lange im Wasser, aber die Inspektion des Bewuchses zeigt, dass zehn Tage mit einem Schnitt von 5,5 Knoten alles frisch poliert haben, keine einzige Entenmuschel ist zu sehen, wunderbar!


Mein Freund Gulfy muss mir mein Bad nicht übel genommen haben, denn friedlich treibe ich die gesamte Nacht und bis zum frühen  Abend des 11. Tages, vorbei an der Skyline von Miami, immer schneller und mit Durchschnitt von 2,7 Knoten. Ich beobachte die segelnden Quallen der "Man'O War", der durchsichtige Körper aufgeblasen und mit einem hübschen lila Kamm am 'Segel' verziert, als 'Kiel' sorgen die langen Nesseln für die Stabilität der kleinen Fregatte.
Sogar die vielen Schiffe sind freundlich. Weil hier so viel los ist, hält wohl jeder guten Ausguck und bei so ruhiger See sind wir auf jedem Radarschirm perfekt zu sehen. Kein einziges Mal muss ich am UKW Funk nachfragen, obwohl im Umkreis von 16 Meilen immer etliche Schiffe am AIS Gerät zu sehen sind. Ich vertraue darauf, dass mein AIS Wache hält und schlafe zum ersten Mal tief seit vielen Tagen, ganze zwei Stunden am Stück!


Spätestens jetzt wird es höchste Zeit, Gulfy Respekt zu zeigen, und wahrscheinlich sollte ich ihn deshalb nun auch besser Mr. Gulf Strom nennen. Ungebremst zischt er nach Norden, nichts kann sich ihm mehr in den Weg stellen, er zieht am stürmischen Cape Hatteras vorbei und kann sich im Nordatlantik endlich ausbreiten. Ihm gefällt es vor Neufundland, da kann er mit seinen Nebelbänken spielen, er bringt die Eisberge zum Schmelzen und die Tiefdruckgebiete aus dem Westen stören ihn nicht weiter. Aber wehe, wenn ein Nordwind bei Rückseitenwetter vor der US Küste bläst, das mag der erwachsene Gulfy gar nicht. Da wehrt er sich, zeigt mehr als nur zerzaustes Haar und kann schlimme See erzeugen. Sogar große Schiffe und vor allem kleine Jachten müssen dann vor Mr. Gulf schnell verschwinden. Nachdem er sich im Nordatlantik ausgetobt hat, zieht Gulfy an Irland vorbei bis nach Skandinavien, aber langsam wird es ihm doch kalt und ein kluger Teil von ihm ist schon vorher rechts abgebogen. Vor Portugal wird es auf dem Weg nach Süden endlich wieder wärmer und wenn er sich nicht sehr täuscht, dann wird er auch seine NE Passat-Wind-Mutter bald wieder finden!
So schließt sich der Atlantikkreislauf und wenn sie nicht verwässert sind, dann fließen sie noch morgen.....


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