Verstanden

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Mehr erfahren

Digitaler Datentransfer von Bord

25. Juli 2016
img

Ein Leben ohne Smartphone, ohne ständige Erreichbarkeit, ohne nahezu pausenlose Kommunikation ist inzwischen kaum mehr vorstellbar. Doch was gibt es an Bord für Möglichkeiten, um den Anschluss an das Zuhause, an Mitsegler und vielleicht doch auch noch an den Job aufrechtzuerhalten? Und aktuelle Informationen oder Wettervorhersagen sollten auch nicht fehlen.

Dr. Rüttger Clasen, der in Bad Reichenhall  für den TO schon seit Jahren Seminare zum Thema veranstaltet, kennt sich aus und hat nun zur Einstimmung auf die Seminarzeiten einige Fakten zusammengestellt:

 

So kennen wir es: Auf der Straße, im Lokal, im Auto und sogar auf dem Fahrrad werden in filigraner Fingertechnik Textnachrichten und Fotos dem Smartphone anvertraut. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten – “Bing“. Dank extensiver Mobilfunktechnik mit hohen Datenübertragungsraten der 4. Generation (LTE) limitiert lediglich der individuelle Vertrag mit dem Mobilfunkanbieter (Flatrate) den hohen Datenfluss. Telefoniert wird kaum noch, kommuniziert wird vorwiegend in sozialen Medien wie Whats App oder Facebook - man ist online…

An Bord im Rahmen der Langfahrt sieht das etwas anders aus. Ein terrestrisches Mobilfunknetz mit hoher Datenübertragungsrate steht nicht zur Verfügung, der Stromverbrauch ist limitiert, es besteht Korrosionsgefahr für die Endgeräte durch Wind, Wetter und Seewasser. Seegang verhindert einen stabilen Antennenstandort und manchmal erschwert auch noch Seekrankheit das Tippen auf den kleinen Tasten. Trotz all dieser Widrigkeiten ist ein digitaler Datentransfer auch auf der Yacht heute Standard, wenn auch in etwas abgespeckter Version. Doch der Kontakt zur “Außenwelt“ kann sehr teuer werden.

Die Crew sollte auf alle Fälle im Vorhinein klare Vorstellungen davon haben, welcher Kommunikationsbedarf (Wetter, Notlage, Heimat) besteht!

Was aber wird dem Segler angeboten?

1. Satellitenkommunikation: Empfehlenswert ist das aus zusammen 77 Satelliten bestehende Iridium-System, die in niedriger Höhe die Erde umkreisen (Low earth orbits – LEO – 780 km Höhe) und uneingeschränkte Abdeckung liefern. Sollte der aktuelle Satellit hinter dem Horizont verschwinden, wird das Gespräch zum nächsten geleitet (Intersatellit Link – ISL). Wegen der geringen Datenrate von 2,5 kBit/s kommt ein stark komprimierbarer Codec (AMBE) wie bei allen Satellitensystemen zur Anwendung. Der knapp 700 kg schwere Iridiumsatellit verfügt über mindestens 5 Antennen.

Die Gespräche sind vergleichsweise teuer, bis zu 160 Zeichen SMS können dagegen kostenlos sein. Als Emailclient kommen nur spezielle kostenfreie Produkte infrage (Skyfile, Onsatmail etc). Neben den Handys bietet Iridium Go einen WLAN Hotspot zur Kommunikation mit Tablet/Laptop/Smartphone (entsprechende App vorausgesetzt). Iridium Go eignet sich auch als Luftschnittstelle zum Zugriff auf das Amateurfunksystem Winlink 2000 unterstützt von der Software Airmail/RMS Express.

Aufgrund der technischen Gegebenheiten und kompletten Erdabdeckung ist Iridium präferentiell, die Antennen (Handy/Iridium Go) sind unkritisch, Schiffsbewegungen und Störeinflüsse des Riggs erweisen sich als tolerabel. Kommerzielle Anbieter (z.B. Wetterwelt) bieten umfassende Daten (GribFiles), Emailtransfer ist unproblematisch.

Inmarsat und Thuraya sind dagegen wesentlich kostengünstiger mit doppelt so schneller Datenrate (bis 10 kBits/s). Für den Segler sind allerdings Befürchtungen hinsichtlich der Konnektivität angebracht: Beide Systeme bedienen sich weniger geostationärer Satelliten (Geosynchroneous earth orbit – GEO – 36 000 km Höhe), wobei bestimmte Areale der Erdoberfläche ständig ausgeleuchtet werden (Spotbeam). Der Satellit dreht sich quasi stationär mit der Erde. Thuraya hat den schwersten Satelliten (5 Tonnen!) mit einer 13 Meter Parabolantenne (Durchmesser). Die Zuordnung zum Endgerät erfolgt über GPS-Signal. Eine einmal eingebuchte Antenne darf nicht verändert werden, das Ohr muss zum Gerät schräg geführt werden (sog. Thuraya-Dreh). Die Datenrate ist je nach Vertrag hoch, die Gebühren sind moderat. Auch hier wird eine Hotspot Lösung angeboten (Satsleeve).

Die neuen Satelliten der Reihe Inmarsat 4 bieten mit ihrer 9 Meter großen Antenne satellitengestütztes Breitbandnetzwerk für nachführende Bord-Richtantennen (Berufsschifffahrt) und ebenfalls eine Handylösung (Isatphone pro). Der Komfort, was die GPS-Steuerung und den Datentransfer angeht, ist bemerkenswert. Allerdings limitieren die Kosten einen uneingeschränkten Einsatz der Satellitenkommunikation.

Findige Segler teilen sich das zu befahrende Seegebiet in kleine Quadrate mit der Diagonale eines Etmals ein. Der heimische Unterstützer kann so kostenfreie SMS-Kurzwettermeldungen senden. Zusammenfassend sollte bei der Anschaffung eines Satellitengerätes zur Datenkommunikation die Problematik der Konnektivität unter Bordbedingungen und das Fahrtengebiet bedacht werden. Iridium ist meiner Ansicht nach das System der Wahl, zumindest als wichtige Backup-Lösung.

2. Den digitalen Oldie kennen wir alle: Die Wettermeldungen des DWD können an Bord via HF empfangen werden. Hierbei werden zwei Töne (Mark/Space) wechselweise getastet und wir empfangen als RTTY-Signal diese Nachricht AFSK (Audio Frequency shift keying) moduliert. Der Klassiker bei dem digitalen Datentransfer bleibt also der HF-Funk (Kurzwelle), was sogar “Worldcruising.com“ als Betreiber der traditionellen ARC-Rallye besonders betont.

Kurzwelle an Bord verlangt allerdings eine Zugangsberechtigung (LRC/AFu-Lizenz) und etwas technisches Know how bei der Installation der Antennenanlage. In der Regel wird an ein Anpassgerät (Tuner) ein isoliertes Achterstag als Strahler (1. Antennenhälfte) UND eine kurze Verbindung zum Wasser (2. Antennenhälfte) montiert (MARCONI-Antenne). Bei Metallschiffen unproblematisch, bei GFK-Rümpfen sorgen breitflächige Kupfer- oder Aluminiumfolien für eine kapazitive Koppelung an das Seewasser.

Dem Segler stehen eine Vielzahl von digitalen Datenprotokollen zur Verfügung (PSKmail, Winmor, Pactor etc.), wobei das leider teure (patentierte) Pactorverfahren (ab 800 €) den größten Komfort bietet.

Pactor 3 (Packet Teleprinting over Radio) ist als Niederfrequenz-Mehrträgerverfahren mit einer Bandbreite von 2,4 kHz heute Standard und liefert eine Datenrate (komprimiert) von 5,2 kBit/s. Die im Laptop erzeugten binären Daten werden im Pactormodem auf 18 Tone einzeln digital aufmoduliert (Phasenmodulation-PSK) und dieses Ergebnis wird dem Transceiver zur SSB-Modulation angeboten und als HF-Welle abgestrahlt.

Das neue Pactor 4 Protokoll hat nur einen einzelnen phasenmodulierten Träger mit höherwertiger Modulation (DQPSK, QAM). Die komprimierte Datenrate schafft 10,5 kBit/s. Eine drahtlose Verbindung (bluetooth) zu der im Transceiver verbauten Pactor-Platine ist nicht nur elegant, sie minimiert auch kabelgebundene Störeinflüsse! Eine synchrone digitale Kommunikation ist so prinzipiell mit einem Teilnehmer möglich (peer-to-peer, p2p), die Regel ist aber die asynchrone Kommunikation mit den bekannten Systemen wie Winlink 2000 (kostenlos/Amateurfunk) oder Sailmail (250 $/Jahr). Die selbsterklärende Software Airmail (Winlink/Sailmail) und RMS Express (Winlink) gestatten Emailverkehr via Mailbox, Wetterdatenempfang (GribFiles/Wetterkarten), Positionsreport und Empfang der Tagesschau-Textnachrichten (Nur AFu) von DL4HAO (Dietmar).

Der Amateurfunk hat den Vorteil einer vergleichsweise kostengünstigen Lösung (Transceiver! etc). Seefunk ist leider teuer (LRC, Funkgerät etc). Die im Rahmen der Amateurfunklizenz erworbenen Kenntnisse sind dagegen an Bord von unschätzbarem Vorteil, die Technik ist gleich bei Amateur- oder Seefunk. Für den Amateurfunker bietet das Winmor-Verfahren darüber hinaus eine recht kostengünstige Soundkartenlösung (ca. 80 €) zur Teilnahme am Winlink 2000 System, mit allerdings bescheidenerem Datentransfer (um 1,2 kBit/s).

Fazit: Eine korrekt installierte Kurzwellenanlage ist nicht “out“, sondern bleibt auch weiterhin für den Langfahrtsegler die Kommunikationsbasis für Phonie und digitalen Datentransfer, wobei das teure Pactor 3 Modem sehr weit verbreitet ist. Pactor 4 bringt für den Normalgebrauch keine wesentlichen Vorteile.

Ob Amateur- oder Seefunk bleibt Geschmacksache und sollte nicht ideologisch diskutiert werden. Amateurfunk bietet allerdings den Vorteil, dass man an den weltweiten Amateurfunknetzen teilnehmen kann. Ein signifikanter Anteil der INTERMAR-Kommunikation mit weltweit reisenden Yachten erfolgt via Phonie und Email/Winlink Verkehr!

Ein Satellitenhandy ist an Bord als Redundanz ein MUSS. Präferentiell ist hier das Iridium System, ganz gleich ob Handy oder WLAN Hotspot.

Smartphone-Kommunikation wie Zuhause ist so mit leider nicht möglich – ein hohes Maß an vorwiegend asynchroner Kommunikation bietet die Teilnahme an Winlink 2000 oder Sailmail.

Weitere, eingehende Informationen zum Thema wird es im Rahmen des Ocean-Seminars am 2. Oktober in Cuxhaven geben und – wie gewohnt ganz ausführlich – beim TO-INTERMAR-Seminar “Kommunikationssysteme auf Yachten“ im März 2017 in Bad Reichenhall.

Dr. Rüttger Clasen - DL8MEZ 


print
  Kommentare

Es ist bisher kein Kommentar vorhanden, seien Sie der Erste...

Go to top