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Wie sieht es aus in der Karibik – Wir haben nachgefragt


 

Wie sieht es aus in der Karibik – Wir haben nachgefragt

19. September 2016
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Schreckensmeldungen aus der Karibik sorgen bei manchen Seglern für Unruhe. Sie passen so gar nicht in das weit verbreitete Bild von weißen Stränden, windschiefen Palmen und türkisfarbenem Meer. Doch ist es wirklich gefährlich oder gefährlicher als früher, entlang der karibischen Inseln zu segeln?

Wir haben bei unseren Stützpunktleitern nachgefragt und lassen sie kurz vor dem Start in die neue Saison zu Wort kommen, wobei sie einstimmig die Karibik weiterhin als Segelrevier empfehlen.

Aus Trinidad schreibt unser Stützpunktleiter Andreas Kretschmar besonders ausführlich. Die Sicherheitslage sei im Allgemeinen gut, soweit man sich im karibischen Inselbogen befinde, heißt es in seiner E-Mail, wobei er ausdrücklich betont, dass dies NICHT für die Annäherung an Venezuela oder gar die Navigation in venezolanischen Gewässern gelte, inklusive der Isla Margarita, die vor Jahren noch zu den Urlaubsparadiesen gehrte. Heute mahnt das Auswärtige Amt zu besonderer Vorsicht, rät beispielsweise von Besuchen des Zentrums von Porlamar, der größten Stadt der Insel, nach Einbruch der Dunkelheit ab und warnt vor nächtlichen “fremden Besuchern“ auf Yachten.

Andreas Kretschmar schreibt weiter:

„Die Sicherheitslage ist bereits seit Jahren sehr instabil. Durch den seit Jahren andauernden und nun eskalierenden wirtschaftlichen Zusammenbruch werden viele Bewohner in die Kriminalität getrieben. Übergriffe auf Yachten, aber auch auf kommerzielle Boote, sind häufig und oft wird dabei von Schusswaffen Gebrauch gemacht.“

Auch zwischen Grenada und Trinidad sei es vereinzelt zu Übergriffen durch „venezolanische Fischer“ mit schnellen Pirogen gekommen. Diese Überfälle passierten zwar nicht unbedingt häufig, schreibt er und empfiehlt dabei auf dieser Strecke „in Gruppen zu segeln und der TTCG (Trinidad & Tobago Coast Guard) einen ‘float plan‘ zukommen zu lassen. Außerdem kann man während der Überfahrt den Funkkontakt zur Küstenfunkstelle ‘North Post Radio‘ in Trinidad auf VHF Kanal 16 suchen und seine Positionen melden“.

Zu St. Vincent scheibt unser Stützpunktleiter nach dem Mord, an dem deutschen Segler im März dieses Jahres: „St. Vincent ist eine der ärmsten Karibikinseln. Dementsprechend ist die Kriminalität. Ich persönlich halte mich ungern in St. Vincent auf. Die Grenadinen, die zum Staatsgebiet von St. Vincent gehören, sind jedoch sehr viel sicherer. Das Gebiet von Union Island bis nach Bequia ist eines der schönsten in der Karibik“.

Gefragt nach den Sicherheitsmaßnahmen, die man eventuell vorbeugend treffen könnte, verweist er auf den gesunden Menschenverstand und liegt damit wahrscheinlich genau richtig. Dass man das Boot abschließt, muss eigentlich selbstverständlich sein, denn man schließt zuhause auch die Haustür zu. Genau darauf verwiesen auch Conny Hagen, TO-Stützpunktleiterin auf Carriacou, und Hartmut Holtmann, Inhaber einer weltweit agierenden Charteragentur, an den von seinen Kunden zurzeit das Thema Sicherheit in der Karibik auch verstärkt heran getragen wird. „Früher habe ich zuhause in Stuttgart meine Haustür auch nicht abgeschlossen und jetzt ist es selbstverständlich, dass man zuschließt. Die Kriminalität ist überall angestiegen, zuhause in Deutschland genauso wie in den vermeintlichen Paradiesen. Nur dort will man sie nicht sehen und nicht akzeptieren. Sie passt nicht zu blauem Meer und weißem Strand. Aber auch dort gibt es Probleme, gibt es Diebstahl und Drogenhandel, genauso wie in Europa.“ Und so verweist er, ebenso wie Kretzschmar, auch auf das Verhalten von manchen Touristen. Ein bisschen Empathie sollte man für die Einheimischen aufbringen. Teurer Schmuck muss an Land nicht ausgeführt werden und um jeden “Euro“ zu feilschen, ist auch nicht immer angesagt! Zumal man nicht vergessen darf, dass wir Segler unendlich reich auf die oft arme Bevölkerung wirken. Das entschuldigt natürlich keine kriminelle Handlungen, erklärt aber vielleicht ein wenig ihren Ursprung. Dass man selbst sich vielleicht den Karibiktörn „vom Munde abgespart“ oder zuhause Haus und Hof verkauft hat, um sich seinen Lebenstraum unter Segeln zu erfüllen, können die Einheimischen meist nicht nachvollziehen. Und Haus und Hof zu verkaufen würde ihnen zum Verwirklichen ihrer Träume nicht unbedingt weiterhelfen. Hier zählen andere Maßstäbe.

Andreas Kretzschmar weist außerdem noch daraufhin, dass man sich, wenn man die Sicherheitslage nicht einschätzen kann oder sich zumindest unsicher ist, am besten mit einer örtlichen Marina oder einem Hafenmeister in Verbindung setzen sollte, um dort entsprechenden Rat einzuholen. Für Trinidad gelte dabei, dass das Stadtgebiet von Port of Spain vor allem nachts nicht sicher sei, insbesondere die östlichen Stadtteile, die man allerdings auch bei Tag unbedingt meiden sollte: Laventille, Morvant, East Dry River und Sea Lots. „Im Prinzip meidet man alles östlich von `Henry Street‘ und in Chaguanas, Zentral Trinidad (nicht zu verwechseln mit der Halbinsel Chaguaramas), den Stadtteil Enterprise.“ Sinnvoll sei es auch, sich von einem lizensierten Taxi chauffieren zu lassen. Darüber hinaus solle man Wohn- und Gewerbegebiete meiden. Für die Insel Tobago gelte das alles nicht. Dort sei es vollkommen ausreichend, sich im Bezug auf Sicherheitsmaßnahmen auf seinen gesunden Menschenverstand zu erlassen, wobei Stefan Loerner, TO-Stützpunktleiter auf Dominica, noch einmal betont, dass es zu empfehlen sei, dass man nicht allzu einsame Plätze aufsucht, an denen ein eventueller An- oder Übergriff Kriminellen vielleicht leichter fallen würde.

Einen weiteren praktischen Tipp gibt Andreas Kretzschmar den Seglern in der südlichen Karibik mit: “Bei der Verhandlung mit Handwerkern über eine umfangreichere Arbeit am Boot sollte man sich sicher sein, dass Auftraggeber und Auftragnehmer von den gleichen Voraussetzungen ausgehen. Im Zweifelsfall empfehle ich, die Hilfe der Yacht Service Association of Trinidad and Tobago (YSATT) in Anspruch zu nehmen“ und bietet dabei auch gleich seine Hilfe und Unterstützung an, insbesondere wenn es zu Verständigungsproblemen kommt.

Dass es bei Ihnen keine Probleme mit der Sicherheit gebe, weder an Land noch auf dem Wasser, schrieb Conny Hagen, die zusammen mit ihrem Mann den TO auf Carriacou vertritt: „In der Tyrrel Bay haben wir viele Boote während der Hurrikanzeit hier, da die Magroven als Hurrican Hole gelten. Während dieser Zeit sind mindestens 50 Prozent der Boote in unserer Bucht `geparkt‘, also unbewohnt. Trotzdem gibt es kein Sicherheitsproblem, kein Überfälle, kein Ausrauben der Schiffe, berichtet sie uns noch vor dem Kidnapping auf Hog Island, südlich von Grenada.

Sie hätten aber in letzter Zeit häufig von Dingidiebstählen, Einbrüchen auf Booten bis hin zu nächtlichen Überfällen in St. Lucia, St. Vincent, Canuoan, Tobago Cays, Mayreau und Union Island gehört. Momentan würden viele Cruiser, die sich über Monate und Jahre in der Karibik aufhielten, St. Lucia und St. Vincent meiden. Chartercrews liefen die Inseln dagegen auch weiterhin an. Sie seien sich den Gefahren scheinbar nicht so bewusst, wie die Blauwassersegler. Überfälle mit Todesfolge, wie der in der Wallibou Bay, seien aber die absolute Ausnahme, betont Conny Hagen.

Und Hartmut Holtmann hat außerdem noch einen Tipp für die Segler, den er selbst auch befolgt, wenn er unterwegs ist: „Ich rate immer ruhig einen kleinen Dienst von den Einheimischen anzunehmen, sei es eine Heckleine für ein paar Dollar festmachen oder sich etwas bringen zu lassen. Es muss nichts Großes sein, aber dann hat man schnell einen ganz anderen Status und auch mehr Sicherheit in der Bucht. Man braucht etwas Gespür und muss daran denken, dass wir auf unseren Booten auch schnell arrogant wirken können und das kommt nirgendwo gut an.“

Und wenn man sich umhört, gibt es noch den ein oder anderen Hinweis unter den Seglern, um die Sicherheit, nicht nur während eines Karibiktörns, zu erhöhen. Zum Beispiel raten sie, bei Tischreservierungen oder Verabredungen über Funk nicht unbedingt den Namen der eigenen Yacht zu nennen. Man hänge ja auch zuhause keinen „Bin nicht da“-Zettel an die Tür. Ansonsten könnte es hilfreich sein, ein altes Handy an Bord zu haben oder auch zu Landgängen mitzunehmen und dazu noch ein nicht ganz so gut gefülltes Zweitportemonnaie, sodass es nicht allzu schmerzt, wenn man die Sachen ‘abgeben‘ muss. Und ganz wichtig, darauf weist auch wiederum Conny Hagen hin, „Man kann nur sagen, wenn einem so etwas Unglückliches doch passiert, sollte man sich nicht wehren – es kann alles ersetzt werden – aber nicht das eigene Leben. Ansonsten sagt man hier ‘Lock it or loose it!‘ – also alles abschließen“. 


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