Verstanden

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Reisebericht

Huckepack - Eine Segelyacht als Deckslast



Huckepack - Eine Segelyacht als Deckslast

6. Februar 2017
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Hinsegeln ja, zurücksegeln nein, da lassen wir unser Boot transportieren. Das war die Bedingung meiner Frau, als wir mit der Planung Langfahrt und Atlantiküberquerung begannen.

Bei unsere Überfahrt nach Martinique hatten wir oft schwachen achterlichen Wind und unangenehme hohe Wellen aus verschiedenen Richtungen. Immer wieder waren wir ganz schön überrascht, wie uns die Windpilot Pacific Plus I mit kaum sichtbaren Ruderausschlägen auf Kurs hielt. Es grenzte für uns manchmal schon an Magie.

Sturm erlebten wir während der ganzen Reise keinen, wir hatten ja Zeit und konnten immer passende Wetterfenster abwarten.

Während der Hurrikansaison stand unser Boot dann an Land im Jolly Harbour Boatyard / Antigua und dann war es auch schon wieder Zeit an die Rückreise zu denken.

Segelfreunde hatten ihre HR 352 mit peters&may als Deckslast von St.Thomas / US Virgin Islands nach Southampton/England transportieren lassen. Sie selbst durften als Passagiere auf dem Frachter mitfahren und waren ganz begeistert von der Reise. Sie bewohnten damals die komfortable Eignerkabine. Die Mannschaft sei sehr freundlich gewesen, erzählten sie und dazu gab es an Deck einen kleinen Pool. Sie konnten am Unterwasserschiff ihres Bootes arbeiten und durften in der Kombüse helfen. Weder für die Passage noch für die Verpflegung mussten sie etwas bezahlen.

So war für uns klar, das machen wir auch, wir buchen bei peters&may.

Mitte Oktober nahmen wir Kontakt mit der Firma in England auf und äußerten dabei auch gleich den Wunsch, als Passagiere auf dem Frachter mitzufahren.

Schon am nächsten Tag erhielten wir von Steven Stanbury eine sehr ausführliche Antwort und die Information, dass zwischen dem 5. und dem 20.5. auf Antigua verladen würde. Die Anzahlung bei Vertragsabschluss würde 35 Prozent betragen.

Jetzt wird reserviert

Daraufhin baten wir erst einmal um eine nicht bindende Reservierung, denn bis Mai konnte noch viel passieren. Eine Sorge, die Steven wohl nicht unbekannt war, denn seine Antwort lautete: Kein Problem.

Bei weiteren Schriftwechseln per Email stießen wir bei einigen Begriffen und Redewendungen trotz passabler Englischkenntnisse und dem Griff zum Wörterbuch an unsere Grenzen. Aber gerade Vertragstexte sollte man gut verstehen können. Anfang Januar riefen wir deshalb einfach mal im deutschen Büro von peters&may an. Sehr freundlich, geduldig und ausführlich beantwortete der dortige Mitarbeiter Jesper Jensen all unsere Fragen und schickte uns sofort, nachdem er die Maße unseres Bootes erhalten hatte, das Angebot in deutscher Übersetzung:

8500 US-Dollar von St. Thomas / US Virgin Islands und 9350 US-Dollar von Antigua aus, löschen in Southampton. Auch die Mitfahrt als Passagiere sollte kein Problem sein.

Vorher hatten wir das Boot genau vermessen. Im Laufe der Jahre war unsere HR 352, zum Beispiel durch die Montage einer Badeplattform, in der Länge deutlich gewachsen und der Lademeister braucht ganz exakte Maße, denn er muss möglichst viele Boote auf dem Deck des Frachters unterbringen.

Wir hatten uns entschlossen, in Antigua laden zu lassen und schickten die umfangreichen Vertragsunterlagen per Email-Anhang zu Jesper.

Fit genug für die Überfahrt?

Auch ein Fragebogen, musste ausgefüllt werden. Unter anderem waren folgende Fragen zu beantworten:

- Können Sie (oder die Bemannung) physisch die Leiter zum Frachtschiff hochklettern, um an Bord zu gehen?

- Sie müssen das Achterstag demontieren (Anmerkung: Und wenn das Boot an Deck steht, wieder montieren.), ist das für Sie / den Anlieferer der Yacht möglich?

- In welchem Zustand sind die Klemmen / Klampen und wie viele sind für die Verzurrung / das Befestigen verfügbar?

Mitte April legten wir uns in die Jolly Harbour Marina. Die Liegegebühr dort ist kaum teurer, als das, was man inzwischen in manchen Häfen an der Ostsee bezahlt, und man hat dort Internet. Ein gutes Internetcafé mit sehr hilfsbereiten jungen Leuten und einen großen Supermarkt erreicht man in wenigen Minuten zu Fuß.

Am 25. April bekamen wir die Nachricht, dass der Stückgutfrachter BBC Nile am 9. Mai den Hafen von St. John's / Antigua und am 29. Mai Southampton erreichen würde. Auf www.marinetraffic.com konnte man nun die Fahrt verfolgen. Auch erhielten wir die Bestätigung: Das Mitfahren (als Passagiere) ist bestätigt und sicher!

Um den Papierkram für die Ausreise unseres Bootes als Deckslast eines Frachters zu erledigen, beauftragten wir Karen van Rendsburg von der Firma lighthous yachting (www.lighthouseyachting.com). Ihr Büro liegt in Laufnähe der Marina. Ihr Mann Mike überführt auch Yachten nach St. John's, wenn deren Eigner keine Zeit haben, auf ihren Ladetermin zu warten.

Aus dem Wasser in die Luft

Kurz vor unserer Abfahrt nach St. John’s teilte man uns mit, dass das Mitfahren als Passagiere ab Antigua nicht möglich sei! Unter Motor fuhren wir die wenigen Seemeilen nach St. John's und da lag sie, die BBC Nile mit ihren drei Kränen, riesig im Gegensatz zu unserer kleinen Yacht.

Wir hielten uns in Sichtweite auf und warteten, bis uns die Decksmannschaft heranwinkte. Doch etwas aufgeregt gingen wir gut abgefendert an der haushohen Bordwand längsseits und schon warf man uns die Enden der Tampen herunter, mit denen wir uns festmachen sollten. Wir lagen absolut geschützt im Windschatten des dicken Potts. Wenige Minuten später kletterten der Lademeister und sein Assistent die Bordleiter herunter und nahmen uns mit ihrer ruhigen, freundlichen Art jegliche Nervosität. Das Achterstag hatten wir schon gelöst, die Dirk störte noch und sie halfen uns, den Baum auf die Reling zu legen. Keine Hektik, kein Stress, sie schienen alle Zeit der Welt zu haben. Die beiden hatten immer einen lustigen Spruch auf Lager, einfach super.

Nachdem die Ladegurte befestigt waren, überprüfte ein Taucher, ob sie auch an der richtigen Stelle saßen.

An Bord des Frachters wurden wir durch eine Mitarbeiterin von peters&may empfangen, die uns über alles Weitere informierte. Jetzt hieß es warten, denn das Tansportgestell musste gerichtet und das Boot an Deck festgezurrt werden.

Kurze Zeit später konnten wir Achterstag und Dirk befestigen und unser Gepäck an Deck.

Dann ging es mit dem Taxi nach Jolly Harbour zurück, denn unsere Segelfreunde Regina und Günter hatten darauf bestanden, dass wir auf ihrem Boot die zwei Nächte schliefen, bis unser Flug ging.

Wir hatten uns inzwischen dazu entschlossen, zu Hause in Deutschland die Ankunft des Frachters abzuwarten und dann rechtzeitig von Düsseldorf aus direkt nach Southampton zu fliegen.

Zurück in ihrem Element

Das Abladen verzögerte sich, wir hatten wohl den scheußlichsten Tag des Sommers erwischt. Es stürmte, regnete in Strömen und war bitterkalt. Die Lademannschaft hatte bei diesem starken Wind Schwierigkeiten, die Boote, die an den Kränen hingen, richtig zu positionieren.

Wieder mussten wir vor dem Abladen Achterstag und Dirk lösen.

Dann war es endlich soweit. Deneb schaukelte wieder in ihrem Element.

Nun mussten wir die Jakobsleiter nehmen, um auf unser Boot zu gelangen, und das bei dem Wetter! Die Leiter hing direkt über der Kante des Decks, man stieg erst einmal ins Nichts. Das kostete schon etwas Überwindung.

Schnell Achterstag und Dirk angeschlagen, die Batterien, die wir nach dem Aufladen des Bootes in Antigua sicherheitshalber abgeklemmt hatten, wieder anschließen, Motor starten. Mühsam drehte der Anlasser zwei, drei Mal, dann war Schluss. Oh je, was war das? Die Batterien waren knapp zwei Jahre alt, waren abgeklemmt, damit sie nicht von einem heimlichen Stromverbraucher leergesaugt werden konnten.

Rasch ein Überbrückungskabel von der Verbraucherbatterie zur Starterbatterie gelegt, nichts, nur müdes Drehen des Anlassers. Auch die schnell ausgebaute Batterie der Ankerwinsch brachte keinen Erfolg. Rätselhaft, was jetzt?

Die Leiter rauf, der Mannschaft das Problem geschildert und eine gefühlte Ewigkeit später ließ man uns ein Verlängerungskabel herunter, das wir mit dem Ladegerät verbanden. Nun hieß es warten und immer wieder mal von der Bordwand abhalten. Die vorbeifahrenden Schiffe erzeugten zwar nur kleine Wellen, aber es bestand trotzdem die Gefahr, dass die Saling an die Bordwand des Frachters schlug.

Nach zwei Stunden wagten wir einen erneuten Startversuch und die Maschine sprang an, als ob nichts gewesen wäre.

Jetzt schnell in die Ocean Village Marina / Southampton motort, Heizung an und mit einem Gin Tonic die Nerven beruhigt.

Als wir unseren alten Liegeplatz auf Fehmarn ansteuerten, lagen drei Jahre voller Erlebnisse und Abenteuer hinter uns. Jahre, die wir nicht missen möchten. Es war einfach eine großartige Zeit.

Warum waren wir nicht an Bord?

Wir hatten uns sehr darauf gefreut, als Passagiere auf der BBC Nile mitzufahren. Kosten sollte es nur 100 US$/Person, für die ganze Reise, einschließlich Verpflegung.

In der Jolly Harbour Marina lag ein Engländer mit seinem Boot neben uns, der auch auf dem Frachter mitfahren wollte. Also wären wir drei Passagiere gewesen. Doch dann teilte er mit, dass Passagiere ab einem Alter von 65 Jahren ein Gesundheitszeugnis bräuchten. Diese Information hatte er gerade per Email erhalten. Uns hatte man nicht informiert. Das betraf uns zwei Männer. Eile war geboten. Mit Googles Hilfe wurde eine Klinik gefunden, in der wir die Chance hatten, das Zeugnis noch am Wochenende zu bekommen. Eine lange Taxifahrt später empfing uns dort ein Arzt, dem wir unser Anliegen vortrugen. Kein Problem, meinte er und zählte auf, welche Untersuchungen er dafür mit uns anstellen müsste, 1200 US-Dollar pro Person sollte das kosten. Ffassungslos schauten wir ihn an, er meinte es ernst. Unserem englischen Bekannten gelang es den Arzt auf 200 US-Dollar pro Person heruntergehandelt. Immer noch viel Geld, aber es eilte. Nach kurzer Untersuchung hielten wir das Gesundheitszeugnis in den Händen.

Dann der nächste Schreck: Wir brauchten ein Visum für die Einreise in die US Virgin Islands! Damit war das ESTA gemeint, das wir bereits hatten. Einen Tag später wurden dann aber plötzlich die Kopien der Einreisestempel in unseren Pässen gefordert. Karen erledigte das für uns. Am Freitag, wenige Stunden vor unserem Ladetermin, der auf 14 Uhr festgesetzt war, wurden auch noch Kopien der damaligen Reiseunterlagen angefordert, selbst die waren noch auf unserem Laptop gespeichert und konnten von Karen, wohin auch immer, übermittelt werden. Kurz danach kam die Absage, wir dürfen nicht mit, es sei definitiv nicht möglich, als Passagiere eines Frachters die US Virgin Islands anzulaufen, wo noch weitere Yachten aufzuladen waren. Selbst wenn wir an Bord bleiben würden, wäre es nicht möglich.

Papiere, Stempel, Formulare

Warum wollte man von uns die Stempel und Reiseunterlagen?

Wenn man mit Flugzeug, Kreuzfahrtschiff oder Fähre mit ESTA in die USA eingereist war und später innerhalb von 90 Tagen nach Ausreise mit seiner Yacht einreisen will, ist das wohl problemlos möglich. Siehe im Internet ,,Accurate Information for Yachtsmen Entering the USA“. Das scheint auch für die Einreise an Bord eines Frachters zu gelten. In unserem Falle waren aber schon mehr als 90 Tage vergangen.

Karen hatte für den Engländer, der ja schon früher wusste, dass er keine Chance für die Mitfahrt von Antigua aus hatte, bereits einen Flug nach St. Thomas gebucht, wo er dann an Bord gehen konnte, das wäre sicher.

Das Wort “sicher“ hatte inzwischen für uns nicht mehr die ursprüngliche Bedeutung, außerdem drängte die Zeit, in wenigen Stunden war unser Ladetermin in St. John's und wir waren immer noch in Jolly Harbour, auch waren wir mit den Nerven am Ende. Als Karen dann auf die Schnelle keinen passenden Flug für uns finden konnte, entschlossen wir uns, nach Deutschland zu fliegen und so buchten wir die gleiche Maschine, für die wir ein paar Tage vorher einen noch offenen Rückflug storniert hatten.

Auch Jesper Jensen von peters&may war sichtlich betroffen, wie das alles gelaufen war, was wir hier in Kurzform (!) geschildert haben.

Ohne dass wir ihn dazu aufgefordert hätten, handelte er mit dem englischen Büro eine Entschädigung aus, mit der wir zufrieden sein konnten.

Hut ab vor dieser Firma, englisches Fair Play!

Karen van Rendsburg erledigte für uns den ganzen Papierkram bei Custom and Immigration, stellte uns Computer und Drucker in ihrem Büro zur Verfügung, telefonierte, half uns, auch persönlich innerlich betroffen, wo sie nur konnte und hielt uns permanent auf dem Laufenden.

Sie, die Firma peters&may und Jesper Jensen vom deutschen peters&may Büro können wir nur empfehlen.

Unseren englischen Segelkameraden trafen wir übrigens noch einmal kurz beim Abladen seines Bootes und wir waren natürlich gespannt, wie er die Reise auf dem Frachter erlebt hatte. In seiner Kabine wäre er sich wie im Gefängnis vorgekommen, die Koje schlecht, ebenso das Essen (wenn das ein Engländer sagt), aufs Deck, um zum Beispiel nach seinem Boot zu schauen, durfte er nicht und er meinte, als Frau sollte man so eine Reise auf keinen Fall machen, warum sagte er uns nicht.

Er hatte also ganz andere Erfahrungen gemacht als unsere Segelfreunde ein Jahr zuvor auf einem anderen Frachter.

Rainer Bode


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