Noch eine Regatta vor dem großen Rennen der kleinen Boote über den Atlantik wollte Lina Rixgens segeln. Nicht einhand sondern zweihand mit Sverre Reinke, zum Ausprobieren und Optimieren vor der Mini Transat. zu der sie im Pulk der Einhandsegler am 1. startet. Und die Probe ist gelungen, wie sie berichtet:
Leichtwind und 250 sm Starkwindkreuz, Wale und Delfine, Stahlindustrie und Tapasbars – die diesjährige Transgascogne hatte so einiges zu bieten.
Les Sables d’Olonnes-Avilés
Am 30. Juli fiel vor dem durch die Vendée Globe bekannten Hafen Les Sables d’Olonnes der Startschuss zur ersten Etappe der diesjährigen Transgascogne. Auf Grund einer Leichtwindvorhersage für den Golfe de Gascogne wurden die 10 Prototypen und 43 Serienboote der Class Mini auf den 245 sm langen direkten Kurs nach Nordspanien geschickt..
Bei 10 Knoten Wind aus WSW starteten wir auf einem Am Wind-Kurs. Je nach Routingvorschlag trennten sich hier die Wege. Viele Boote, vor allem die neueren, setzten ihren Code 0 und fuhren Kurs Süd, um einen Hochdruckkeil zu umfahren. Bei auf 18 kn zunehmendem Wind war bei uns aber an Code 0 nicht zu denken, sodass wir weiterhin relativ hoch fuhren und dabei auf Geschwindigkeit segelten. So hielten wir uns immer noch weit östlich von dem Direktkurs und damit dem Routing meiner Trainingsgruppe.
Über die Nacht nahm der Wind ab und raumte, nacheinander kamen Code 0, Code 5 und schließlich der große Spi zum Einsatz. Der zweite Regattatag wurde etwas monoton, der neue große Spi blieb bei 4 bis 8 kn Wind die ganze Zeit oben, der Himmel war grau und wolkig. Wir versuchten die ganze Zeit maximalen Speed herauszuholen, steuerten selbst oder trimmten die Segel und wussten am Ende des Tages auf jeden Fall, dass wir auf diesem Kurs schneller als die Zweihand-Nacira in Luv von uns sind und dass der neue OneSails-Spi hält, was er verspricht.
In der pechschwarzen Nacht wechselten wir uns im 45-Minuten-Rhythmus ab. Der Autopilot steuerte. In einer Wolke nahm der Wind plötzlich auf 18 kn zu. Wir schossen fast in den Wind und wechselten deshalb auf den Medium Spi. Nach 10 Minuten war der Spuk. Also doch wieder den großen Spi setzen…
Mit dem Sonnenaufgang nahm auch die bleierne Müdigkeit ab und bald fingen wir an, die Seemeilen bis zur Ankunft herunter zu zählen. 20 Seemeilen vor unserem Zielhafen Avilés nahm der Wind noch weiter ab. Sehr tiefer Vorwindkurs, 2-5 kn Wind, 1-2 Meter Dünung von der Seite. Ein Kurs, auf dem die Pogo 2 im Vergleich zu anderen Booten schnell fährt. Die bergige, wolkenverhangene Küste hatten wir schon seit einer gefühlten Ewigkeit gesehen, jetzt kamen sie und das Cabo Peñas langsam näher. Nach ein paar Halsen schoben wir uns noch an drei Booten vorbei, bei so einem Flautenkrimi ist man zu zweit an Bord doch überlegen. Wie viele Boote kamen wohl noch hinter uns? Wir befürchteten schon, dass die Boote weiter im Osten mehr Wind gehabt hatten als wir.
Die Ziellinie wurde auf der einen Seite durch einen Leuchtturm auf den sehr nahen Klippen und auf der anderen Seite durch den Molenkopf des Kanals nach Avilés gebildet, eine großartige Idee… Als wir 100 Meter vor der Ziellinie waren, wurde über Funk durchgegeben, dass bald ein großes Schiff aus ebendiesem Kanal auslaufen wird. Ein Schiff…? Auf dem AIS ist nichts zu sehen. Plötzlich schiebt sich ein großer Bug hinter den Felsen hervor – wir haben noch etwa 50 Meter bis dorthin - ein bisschen Adrenalin zum Schluss. Alles geht gut, der Frachter geht vor uns durch und wir überqueren die Ziellinie nach 2 Tagen und 8 Stunden pünktlich mit dem Sonnenuntergang und kurz bevor der Wind komplett abflaut. In der doublehanded-Wertung der Serienboote landen wir auf dem 4.Platz (von 10 Booten), von allen Serienbooten werden wir 29.
Der Schlepp durch den 3 sm langen Kanal zeigt die industrielle Seite der Stadt: rechts wird Kohle auf Frachter verladen, links brennen die Flammen der Stahlindustrie. Das Wasser im Hafen ist schmutzig und die meiste Zeit liegt ein übler Geruch über der Stadt. Der Empfang und die Organisation in Avilés sind hingegen super. Die Bürgermeisterin heißt uns im Rathaus willkommen und jeden Abend gibt es eine fiesta asturiana mit asturianischem Cidre aus riesigen in die Wand eingelassenen Fässern und Unmengen an verschiedensten Tapas. Der Ort selbst hat mit seinen engen Gassen, alten Häusern, unzähligen Tapas-Bars und dem bunten Treiben auf den Straßen eindeutig Charme. Da kann man dann auch ein Auge zudrücken, wenn in den Containerduschen mal wieder alles unter Wasser steht.
Avilés-Les Sables d‘Olonnes
Die zweite Etappe startete gleich mit einer einstündigen Startverschiebung. Alle 53 Boote wurden in der starken Dünung ordentlich herumgeschubst, bis irgendwann mit etwas Wind einsetzte. Und mit ihm kam der Regen. Wir hatten einen guten Start, versuchten die Dreher der Regenwolken auszufahren und positionierten uns im guten
Mittelfeld der Flotte. Gegen Abend nahm der Wind auf 16-24 kn zu. So sollte es bis nach Les Sables d’Olonnes bleiben. Der Wind kam genau aus NE, vor uns lagen also 250 sm Kreuz. Bei der äußerst unangenehmen Welle war das wirklich keine Freude. Sverre wurde seekrank, sodass ich die erste Nacht quasi allein Wache schob. Aber ein toller Vollmond leistete mir Gesellschaft und beleuchtete das ganze Boot.
Das Feld verstreute sich sehr schnell in alle Richtungen, die Routings waren sich absolut nicht einig. Schnell verlor man den Überblick, wieviele Boote in Luv und wie viele in Lee waren. Wir hielten uns relativ mittig und nahmen die Winddreher mit, wie sie kamen.
Im Laufe des nächsten Tages verzogen sich die Wolken und es wurde etwas trockener, wenn auch nicht gemütlicher. Nach und nach kamen erst auf dem AIS, dann auch real andere Minis in Sicht. Wir machten gute Fahrt, bekamen einen sehr guten Dreher mit und näherten uns stetig dem 10 Boote großen Pulk vor uns. Gegen Nachmittag kam endlich der lang ersehnte NW-Dreher und wir setzten als erstes Boot in unserem Umfeld den Code 0. Der Kurs war dafür mit 55° TWA und 12-16kn zwar noch sehr spitz, doch wir fuhren durchschnittlich 0,5-1kn schneller als alle Boote um uns herum. Aufholjagd auf den letzten 30 sm bis zum Ziel!
Doch natürlich konnte es so nicht einfach weitergehen bis nach Les Sables d’Olonnes. Um uns herum bauten sich imposante Gewitterwolken auf, die Blitze zuckten in der Ferne. Plötzlich teilte mir Sverre aus dem Cockpit mit, dass wir keine Windangaben mehr hätten. Auch die Funke ist verrauscht und auf dem AIS verschwinden nach und nach alle Signale. Dann ist der Spuk plötzlich vorbei und auf dem AIS tauchen wieder Boote auf, auch die Windanzeige erscheint wieder. Über Funk berichten drei Boote über ähnliche Ausfälle. Meine Elektrik ist also in Ordnung, lediglich die Luft hatte sich durch die Blitze wohl dermaßen aufgeladen, dass dies zu Störungen an der Mastelektrik geführt hat.
Nun waren wir direkt unter einer der Wolken und damit in der Flaute. Den Booten um uns herum ging es zum Glück nicht besse. Dann war Vorwind-Kreuzen mit großem Spi angesagt. Nervig, doch so überholten wir noch zwei Boote. Vor der hell erleuchteten Silhouette von Les Sables waren die Untiefentonne Nouch-Sud und auch die Ziellinie wirklich schwer auszumachen, doch um 3 Uhr morgens überquerten wir nach 2 Tagen, 13 Stunden und 15 Minuten und insgesamt 675 gesegelten Seemeilen als 19. Serienboot und 5.doublehanded-Serienboot die Ziellinie – diesmal vor dem 10 Boote starken Pulk. Insgesamt belegten wir bei dieser letzten Testregatta vor der Mini Transat den 4. Platz der Zweihand-Serienboote.
Lins Rixgens