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Stegplauderei unter Profis


 

Stegplauderei unter Profis

30. September 2020
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Trans-Ocean kann auch Regatta und vor allem auch darueber reden. So wie im Offshore-Trainingszentrum in Lorient an der bretonischen Atlantikkueste. Denn dort haben sich zwei unserer herausragenden regattasegelnden Mitglieder zum Gespraech getroffen. Lennart Burke, SY Vorpommern, interviewt Boris Herrmann, Seaexplorer – Yacht Club de Monaco, der am 8. November als erster Deutscher beim Vandée Globe an den Start gehen wird - einmal nonstop um die Welt. (Mehr zu dem legendären Rennen gibt es ab Freitag im neuen TO-Magazin 168).

Lennart Burke: Moin Boris, freut mich riesig, dass wir es endlich mal geschafft haben, uns zu treffen. Wir sind uns hier in Lorient zwar schon ab und zu begegnet, aber für einen längeren Schnack hat es bis jetzt leider nie so richtig gereicht. Klasse, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. 

Mein Traum ist es, Offshore-Profisegler zu werden – wie du einer bist –, an namhaften Regatten teilzunehmen und Rekorde zu brechen. Und klar, dass ich dazu einige Fragen an dich habe.
Was waren für dich die wichtigsten Schritte, die du auf deinem Weg dorthin gegangen bist, wo du jetzt stehst?

Boris Herrmann: Meine Eltern, besonders mein Vater, haben mich schon von klein auf zum Fahrtensegeln in der Nordsee mitgenommen. So wurde mir das Segeln schon in die Wiege gelegt. 
Später dann kam der Opti, was mehr Spielerei war. Piratenspiele und so. Alles ohne Druck der Eltern. So kam das Regattasegeln dann auch erst später im 420er. Es war aber unser eigenes Ding. Wir hatten da Bock drauf. 

Der wichtigste Schritt zum Offshore-Segeln war aber ganz klar der Mini. Dann kam Class 40 und das Barcelona World Race. Wenn man sein eigenes Projekt schmeißt, ist das ja mehr ein Abenteuer. Danach war es aber das erste Mal, dass das Segeln erst richtig zu einem Beruf wurde. Ich hatte begonnen, als Navigator für andere Teams zu arbeiten. Das ist dann eine Art von Handwerk. Dazu gehört zum Beispiel Instrumente zu kalibrieren, am Start die Zeit anzusagen, dem Team vor dem Start ein Wetterbriefing zu geben, die Elektronik an Bord auf Vordermann zu bringen und auch grob auf dem Kurs zu sagen, wo es lang geht. Wenn man das kann, kann man auch irgendwo mit einem Tagessatz seine Brötchen verdienen. Das ist echt eine super Sache. Gerade dann, wenn man mal kein eigenes Projekt hat.

L.B.: Bei uns beiden dreht sich derzeit ja alles ums solo beziehungsweise  shorthanded Segeln. Mich fasziniert besonders die Intensität. Man beschäftigt sich ganz allein mit allem und wird dadurch richtig eins mit dem was einen da draußen umgibt. Ebenso muss man auch in allen Bereichen Profi sein und ist nicht nur auf eines spezialisiert.
Was reizt dich besonders daran?

B.H.: Ich finde auf den Booten, die wir heutzutage haben, wie Minis, Class 40s, Open 60s, kann man allein oder zu zweit unglaublich effizient sein. Nur alleine kommt man so richtig in einen Flow und kann jedem Impuls schnell nachgehen: Auf die Karte gucken, hier schauen, da schauen, in die Segel gucken, ein bisschen an der Winsch drehen. Und das alles, ohne sich mit jemandem abzustimmen. Genau dadurch wird man eins mit dem Schiff. Zu zweit wäre man gar nicht so viel schneller oder besser Den Rekord um die Welt würdest du zum Beispiel allein eher aufstellen. Du hast dann viel weniger Essen etc. dabei und viele Manöver gibt es auch nicht. Man sitzt vielmehr drinnen, trimmt etwas und starrt aber am allermeisten auf die Displays, besonders auf die Navigation.

L.B.: Für uns deutsche Segler sind natürlich deutsche Firmen bezüglich Sponsoring von großem Interesse. Wie schätzt du das Potenzial ein?

B.H.: Grundsätzlich gut. Ich glaube auch, dass die ganzen Veränderungen die gerade stattfinden, vielleicht auch eine Chance für den deutschen Segelsport sein könnten. Das Problem ist nur, dass in Deutschland keine großen, medienwirksamen Regattaveranstaltungen stattfinden und somit die Kampagnen deutscher Segler in erster Linie nur im Ausland sichtbar sind. Das mag für deutsche Firmen ein Hinderungsgrund sein. Dabei haben wir viele große, gut aufgestellte Firmen, die sich zum Beispiel  auch mit neuen Technologien oder dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, oder bei denen es um Teamarbeit geht. Alles Bereiche die im Segelsport eine große Rolle spielen. Aber man kann durchaus sagen, dass bis dato durchaus viele deutsche Firmen aktiv waren. Sei es Audi, BMW, Hugo Boss oder auch SAP.

L.B.: Ich sehe da eigentlich auch viel Potential und denke, dass es auch noch mehr werden können. Die Unternehmen fangen an umzudenken und sich noch mehr auf „grüneren“ Sport zu fokussieren. Eigentlich braucht es „nur“ ein paar gute deutsche Offshore-Segler, die mit ihrer Begeisterung und einer gehörigen Portion Talent die Firmen vom Sponsoring überzeugen können. Dabei spielt der digitale Wandel bei der Vermarktung des Segelsports eine enorm wichtige Rolle. Ich sehe somit sehr positiv in die Zukunft.

Jetzt mal weg vom Business. Wie lassen sich Privatleben und Beziehungen eigentlich mit dem Leben eines Offshore-Profiseglers vereinbaren?

B.H.: Eigentlich ganz gut. Ich war mal weg, mal wieder da und manchmal konnte Birte sogar mitkommen. Ich glaube wir beide finden das sogar besser, als wenn ich in Hamburg mit Vollgas in irgendeinem Unternehmen arbeiten würde und ständig auf Geschäftsreisen wäre. Man wäre „netto“ dann wohl noch weniger da. Ich konnte meine Zeit immer relativ frei bestimmen. Wenn Birte (Lehrerin) Schulferien hatte, habe ich zum Beispiel einfach keine Jobs angenommen und das war ganz cool. Wir haben immer tolle Reisen gemacht. Sie unterstützt es auch voll und ganz, wenn ich etwas tue, was mir gefällt und was auch interessanter ist, als wenn ich sage: “Ich habe gerade irgendeine Bilanz kontrolliert oder irgendwelche Zahlen berichtigt“.

L.B.: Wie lautet dein Rat an einen jungen Segler wie mich, der eine Profikarriere anstrebt?

B.H.: Lass dir nicht einreden, dass es irgendwie schwierig oder sonst was ist. Sondern mach einfach das, was du dir zum Ziel gesetzt hast. Ich bin der Überzeugung, dass sich immer Wege finden, wenn man wirklich dahintersteht. Man darf sich nur nicht verrückt machen lassen. Es wird auch immer wieder Zeiten geben, wo es einfach nicht so läuft. Und da muss man lernen, entspannt damit umzugehen. Irgendwann trifft man wieder auf die richtigen Leute und dann bewegt sich auch wieder etwas.

L.B.: Die nächste Vendée Globe steht ja nun kurz vor dem Start und wir Ministen diskutieren eifrig darüber, wer von euch sich an die Spitze setzt und möglicherweise auf dem Podium zu erwarten ist. In der Regel kommen wir immer auf die gleichen Namen: Charal, Apivia und Linked Out/Advens. Mich interessiert es natürlich brennend, wie du als Insider darüber denkst.

B.H.: Also es gibt acht neue Schiffe und davon sind Apivia, Advens und Charal die Favoriten. Nicht zu vergessen sind aber auch Hugo Boss, L’Occitane und Co, die so ein bisschen die Unbekannte darstellen. Ich muss echt sagen, es ist diesmal eine echt tolle Flotte - in meinen Augen wesentlich stärker als alle Jahre davor. Das wird diesmal sicherlich ein richtig spannendes Race - möglicherweise voller Überraschungen.

L.B.: Und worin siehst du für dich die größten Herausforderungen bei der Vendée Globe? Sag bitte nicht das Schiff heile lassen, das wäre jetzt zu einfach.

B.H.: Im Southern Ocean zu überholen, ist auf Grund der dort vorherrschenden Wetterkonstellation ziemlich schwierig. Ich glaube deshalb, dass das eigentliche Rennen bis zum Southern Ocean stattfinden wird, beziehungsweise bis man die ersten Tiefs erwischt. Die größte Herausforderung wird aber sein, mit den Rückschlägen umzugehen und dann trotzdem mit Vollgas weiterzumachen. Gerade wenn etwas kaputt geht, was ja eigentlich ständig passiert und auch darauf zu vertrauen, dass es bei den anderen ähnlich aussieht und man nicht nur selbst Pech hat und es irgendwie schon weiter geht.

L.B.: Von 2018 bis 2019 bin ich mit einem Kumpel die sogenannte Atlantikrunde gesegelt. Im „cruising mode“ versteht sich. Darin bin ich total aufgegangen und hab jeden Tag genossen. Einfach mal komplett abschalten und nicht immer die Segel perfekt einstellen. Nur die Natur genießen und von Bucht zu Bucht bummeln. Für mich steht also fest, dass ich beides gerne mache, Cruising wie auch Racing. Wie sieht das bei dir aus?

B.H.: Ja, ich schlafe jetzt sogar noch gerne in der Imoca im Hafen und kann es genießen, an Bord zu sein. Dadurch, dass ich mit meinen Eltern an der Küste aufgewachsen bin, ist da viel hängengeblieben. Das ist schon richtig cool, wenn man das Segeln mehr genießt, als nur die Platzierung und der andere „Kram“ für einen nur Mittel zum Zweck ist.

Im Studium bin ich auch auf Yachten als Skipper mit Gästen gesegelt. Ich mag auch einfach dieses zur See fahren. 

L.B.: Einer meiner Träume ist es, eine eigene Offshore-Schule in Deutschland zu haben. Gerne auch mit Trainingsgruppen, die mein Team und ich auf große Events vorbereiten. Ich bin mir bewusst, dass das noch einige Zeit dauern wird. Vielleicht in 20 Jahren, wenn ich selbst genügend Erfahrung gesammelt habe. Außerdem muss die Szene in Deutschland noch um einiges mehr wachsen. Besonders bei den Jüngeren, die sich ihren großen Zielen voll und ganz hingeben. Was hältst du von der Idee?

B.H.: Klingt nach einer super Idee. Es gibt ja jetzt schon das Baltic 500 und das Silverrudder, was beweist, dass es ja unwahrscheinlich viele Leute gibt, die richtig Lust darauf haben. Wenn du aber auch Leute suchst, die einen Pool von Regatta-Seglern bilden, die sich dem voll und ganz hingeben, braucht es jedoch auch ein richtig großes Event in Deutschland, worauf man hinarbeiten kann. In Deutschland zu trainieren, um dann immer auf Regatten nach Frankreich zu fahren, macht keinen Sinn, wenn man sowieso Vollzeit an der jeweiligen Kampagne arbeitet. Aber ja, grundsätzlich klingt das richtig gut!

L.B.: Zuletzt muss ich dich jetzt unbedingt noch was fragen. Verspürst du eigentlich auch noch so viel Adrenalin, wenn´s mal so richtig abgeht? Bei mir schießen die positiven Gefühle einfach nur ungebremst nach oben. 

B.H.: Auf dem Imoca ist es dann eher Angst, dass was kaputt geht und auch Stress. Man klickt dann zwischen den vielen Seiten mit den Alarmen hin und her und beobachtet die Lasten auf dem Computer. Ich kann es mehr genießen, wenn mittlerer Wind ist, flache See und angenehme Bedingungen fürs Schiff. Wenn es so richtig konstant über das Wasser fliegt. Dann kann es schon echt berauschend oder beflügelnd sein. Das Boot sollte eben nicht leiden. Dann fühle ich mich auch so richtig eins mit dem Schiff.

L.B.: Vielen, vielen Dank Boris, dass du mir die Chance zu diesem Gespräch gegeben hast. Ich wünsche dir maximalen Erfolg, Glück und ganz besonders viel Kraft bei der Vendée Globe.

Interview: Lennart Burke, Lennart Burke Sailing


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