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Transat Jacques Vabre – Küstensegeln statt Ozean


 

Transat Jacques Vabre – Küstensegeln statt Ozean

28. Oktober 2023
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Sturm auf dem Atlantik, die Gelegenheit für Melwin Fink, seinen Mini-Stunt zu wiederholen und dieses Mal zusammen mit Lennart Burke am Feld der Class 40 Konkurrenz vorbei zu segeln. Aber die Vorgaben zum Start des Transat Jacques Vabre sind klar und vernünftig: Statt nonstop durch den englischen Kanal und über den Atlantik führt die Route jetzt für die ganze Startgruppe von Le Havre um Brest herum bis nach Lorient. Dort wartet das Class 40-Feld dann auf grünes Licht der Wettfahrtleitung für den Atlantik, erwartet werden Windgeschwindigkeiten bis 90 Knoten. Zumindest kann aber der Start wie geplant am Sonntag stattfinden. Eine gute Nachricht für die Fernsehteams (beispielsweise zeigt der NDR den Start am Sonntag live ab 13:00 Uhr). Es bedeutet ein Loskommen und damit abflauen der Anspannung aller Teilnehmer und ganz ehrlich: Wer möchte nicht lieber in Lorient  auf gutes Wetter warten?

Statt der bunten Häuser und alten Gemäuer französischer Atlantikstädtchen dominieren den Industriestandort Le Havre am englischen Kanal seine markante Betonarchitektur und nicht mehr genutzte Hafenbecken. Nur zehn Jahre dauerte es nach dem Zweiten Weltkrieg, die vollkommen zerstörte Hafenstadt neu zu bauen, nach einem Masterplan von Auguste Perrier, einem Wegbereiter der Architektur-Moderne. Die Innenstadt von Le Havre schaffte es damit, als einziges Ensemble moderner Architektur, in den Welterbestatus der Unesco zu kommen.

nochmal der TitelIm Hafen selbst ist dieser Tage aber von geradlinigen Bauwerken und Reißbrettplanung nicht viel zu sehen: Bunte Farben erstrahlen, Musik klingt aus Lautsprechern und Fahnen wehen überall. Auf beiden Seiten füllen lange Reihen bunter Rümpfe und Karbonmasten das gesamte Hafenbecken. Zum 30-jährigen Jubiläum der Transat Jacques Vabre, dem Rennen auf der alten Kaffeeroute nach Martinique, hat ein Rekord-Starterfeld gemeldet: 5 gewaltige Ultim-Trimarane, 6 Ocean-50-Tris, 40 Imocas, 44 Class 40. Einer davon, der mit der Nummer 189, ist die „sign for com“ von Lennart Burke und Melwin Fink, die unter dem Trans-Ocean-Stander segeln.

Die gewaltigen Ultims sind um die Ecke geparkt, sie würden im Hafenbecken kaum Platz für die anderen Boote lassen. Jeder von denen ist 32 Meter lang und 23 Meter breit! – 14 Class 40 würden etwa die gleiche Fläche benötigen!

Im Imoca-Feld sind alle bekannten Namen und viele Teilnehmer der letzten Vendee Globe vertreten: Jérémie Beyou, Yannick Bestaven, Thomas Ruyant, Damien Seguin, Sam Davies, Clarisse Cremer, Pip Hare und natürlich Boris Herrmann.

Mit ihm und dem Team aus Melwin und Lennart starten mit Isabelle Joschke und Überraschungs-Teilnehmer Andreas Baden (als Co-Skipper von Fabrice Amedeo) insgesamt fünf deutsche Teilnehmer - so viele wie noch nie! Etwas Besonderes ist zudem die große Nähe zu den Booten und Startern, die dem Race-Village wirklich das Ambiente eines Dorfes gibt, wo jeder jeden kennt.

nochmals der TitelDie Stimmung darin ist eine großartige Mischung aus konzentriertem Arbeiten der Crews, buntem Treiben an Informations- und Merchandising-Ständen und einer leichten Anspannung vor dem großen Start. Untermalt wird das durch eine karibische Batucada-Band, die für Rhythmus und gute Laune sorgt. Wir schlendern das Hafenbecken entlang und treffen den sympathischen Andreas Baden vor dem Imoca „Nexans-Arts & Fenêtre“. Trotz fixer Termine und unerledigter Arbeiten, die noch anstehen, nimmt er sich viel Zeit für ein Gespräch.

Irgendwo in diesem Dorf liegen auch Melwin und Lennart mit ihrer Pogo S402. Die beiden haben Familie, Freunde und Unterstützer an Bord eingeladen und geben gern einen Einblick in ihr Boot und dessen Besonderheiten:

Das Cockpit dominieren die große Pinne mit ihrem langem Ausleger, eine große Trimmklaviatur mit Winsch davor und gewaltige Schotwinschen. An Deck sind Nummern für Trimmzustände aufgemalt, die Holepunkte mit 3D-Leinen einstellbar, alles ist minimalistisch und sehr aufgeräumt.

hier fehlt auch der TitelDer Eingang ins Innere ist eng und erfordert schon etwas Gelenkigkeit, unter Deck fällt der Blick gleich auf den beweglich aufgehängten Bord-Computer. Kein Navitisch, kein Sitz. Im direkten Zugriff liegen dafür die Ventile an den gewaltigen Schläuchen, durch die das Ballastwasser vor jeder Wende von einer Seite zur anderen rauscht.

Rechts und links an der Außenwand sind zwei Rohrkojen, aber nur eine davon wird unterwegs genutzt, die andere dient als Stauraum.

Die beiden Skipper machen einen gelassenen Eindruck – alles ist bestens vorbereitet, das Boot weitgehend gepackt. Neben Wasserkanistern und sieben Segelsäcken geht es extrem spartanisch zu. Zwei Taschen für Klamotten und Essen, zwei winzige Taschen für Werkzeug, Reparaturmaterial und Nähzeug. Ein kleiner Gasbrenner hängt von der Decke und ersetzt die Pantry.

Als ein Regenschauer aufzieht, drängeln sich alle unter Deck und es wird deutlich, wie niedrig und eng es hier ist. Die rohe Schale, gewaltige Spanten, die gut 30 Zentimeter vom Boden aufragen und kaum weniger von der Decke. Die Durchgänge haben an den höchsten Stellen vielleicht einen Meter. Man mag sich kaum vorstellen, was es bedeutet, hier tief gebückt bei einem wild über die Wellen tanzenden Boot hindurch zu klettern und Material als Ballast umzustauen.

hier fehlt der Titel

Den mittleren Bereich des Rumpfes dominiert eine große plane Fläche, eine Klassenvorschrift, zur Not muss hier eine Person flach liegen können. Auch an Notfälle muss gedacht sein, Bei einem Rennen über den Ozean gilt das noch mehr als in Küstennähe. Der Blick fällt auf eine große, rote Tasche, die Teamarzt Jan Möhlenkamp zusammengestellt hat. Seine Nummer ist mit Edding neben dem Satellitentelefon auf das rohe GFK geschrieben.

Lennart und Melwin sehen erstaunlich gelassen auf das Rennen und sind gewohnt optimistisch. Eine Top-Ten Platzierung wäre großartig. Aber zunächst kommt es ihnen darauf an, dass das Boot beim Weg aus der Biskaya heil bleibt. „Dann können wir das Pedal durchtreten“ fassen Sie lachend zusammen.

hier fehlt der Titel

Die Abendsonne taucht den Hafen vor den dunklen Wolken in ein beeindruckendes Licht und wir können erahnen, welche Inspiration Claude Monet hier in Le Havre in den Farben seiner Bilder gefeiert hat, mit denen er den Impressionismus maßgeblich beeinflusst hat.

Am Sonntag laufen die Boote zwischen 08:00 und 11:00 Uhr aus dem Hafen und durch die große Seeschleuse aus, angefeuert von rund einer halben Million erwarteter begeisterter Zuschauer. Spätestens dann ist es vorbei mit dem Dorfleben. Segeln ist in Frankreich eben Kulturgut und Volkssport.

Wer mit Lennart, Melwin und den anderen Startern mitfiebern möchte: ndr.de zeigt den Start am Sonntag ab 13:00 Ihr im Livestream mit englischem Kommentar: https://www.ndr.de/fernsehen/livestream/livestreaminternational100.html

 

Informationen und Tracker für das ganze Race gibt es hier: https://www.transatjacquesvabre.org/en/news

 

Text: Marcus Warnke & Hinnerk Weiler | Fotos: Renate Gritschke


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