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letzter Beitrag 13.11.18 um 21:36 von  Oliver
Welches Schweißverfahren für Stahlschiff-Reparatur
 7 Antworten
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Autor Nachrichten
Oliver Segler Segler Posts:7
--
18.05.15 um 18:40
    Hallo an das Forum!

    Meine ODIN hat es jetzt nach knapp 35 Jahren doch erwischt, dass an der ein oder anderen Stelle der Rumpf ein paar neue Stahl-Stückchen benötigt (Durchrostung von Innen nach Außen).

    Eigentlich dachte ich, dass man überall auf der Welt jemanden findet, der einigermaßen qualifiziert schweißen kann und es auch macht. Leider habe ich in Italien (nördliche Adria) wohl den "weißen" Fleck auf der Landkarte entdeckt.

    Frei nach dem Motto einem "Inschinör ist Nichts zu schwör" werde ich mir wohl selber die entsprechenden Fertigkeiten beibringen und das Equipment anschaffen müssen.

    Dazu meine Fragen:
    1. Welches der gängigen Schweißverfahren (Elektroden, MIG, MAG, WIG) ist am besten geeignet?
    2. Bei einer Materialstärke von ca. 4mm, welche Anforderungen hat das Schweißgerät zu erfüllen.
    3. Macht es Sinn für die Reparaturstellen (Größe einer Handfläche) Schiffsbaustahl zu verwenden oder kann auch "normaler" Stahl verwendet werden?

    Für die vielen Antworten bedanke ich mich schon mal im Voraus!


    Keep on Sailing!
    Oliver
    wijosef Senator Senator Posts:201
    --
    19.05.15 um 19:12
    Lieber Oliver

    Stell Dir das bitte nicht so einfach vor. Zumindest eine kleine, praktische Unterweisung sollte schon sein;
    schon um Dich und andere vor Schäden zu schützen.

    Da Du nicht schweißen kannst, kommt Elektrodenschweißen, also auch WIG, für Dich nicht in Frage.
    Eine saubere Steignaht, in einem 4mm Blech, mit einer Elektrode ist Profiarbeit.

    Du wirst also auf ein MIG-MAG Gerät mit automatischer Drahtzuführung zurückgreifen müssen.
    Für Deine Anwendung reicht ein billiges Gerät von Einhell, ca. 250 Euro, vollkommen aus.
    Dann benötigst Du noch das Schutzgas (Corgon) als Eigentumsflasche 10L, für ca 150 Euro bei EBAY oder aber eine Leihflasche.
    Ganz wichtig, Schutzkleidung und den Schweißschirm.

    Der Arbeitsablauf:
    Beschädigtes Material mit einer Stichsäge heraustrennen.
    Bitte keine Flex, wegen dem Funkenflug.
    Neues Material passgenau einsetzen.
    An der Rumpfaussenseite durch Schweißpunkte fixieren.
    Von innen verschweißen (Brandgefahr).
    Mit der Trennscheibe einer Flex die Naht von aussen wieder soweit öffnen, bis die innere Naht metallisch glänzend erscheint (nicht durchschleifen).
    Das ist notwendig, weil die, von der Schweißpistole abgewandte Seite der Naht, nicht durch das Schutzgas von dem Luftsauerstoff geschützt werden kann.
    Anschließend die so entstandene Hohlkehle von aussen mit Schweißgut füllen.

    Ein Profi würde die Naht von aussen durchschweißen, während ein Kollege von innen mit einem Schlauch Schutzgas auf die Naht strömen lassen würde.

    Zum Stahl:
    Es gibt Stahl, der zum Schiffbau verwendet wird; jedoch keinen Schffbaustahl.
    So wird auch beim Bau von manchen Eisenbahnfrachtwagons Cortenstahl verwendet und trotzden handelt es sich dabei nicht um Eisenbahnstahl.
    Dein Schiff ist 35 Jahre alt. Aus diesem Grund behaupte ich mal, dass der verwendete Stahl ein allgemeiner Baustahl ist; ST37, gut verunreinigt mit Phosphor und Schwefel.
    Du kannst also wieder einen St37 nehmen. So viele Verunreinigungen wie damals wird er sicher nicht mehr haben.

    Liebe Grüsse Josef


    Dody Senator Senator Posts:285
    --
    20.05.15 um 00:46
    Hi Oliver,

    Josef hat in vielen Punkten recht.

    MIG geht sauschnell und ist einfach fuer den Anfaenger zu begreifen wenn er einen entsprechenden Tutor hat, ausreichend vorher experimentiert und die Schwachpunkte kennt. Aber: wegen der Nachteile sollte das MIG nur oberhalb der Wasserlinine verwendet werden.

    Mein Partner ist seit 35 Jahren Stahl-Schiffbauer und kennt sich mit MIG, TIG, Arc-welding bis ins kleinste Detail aus. Er ist schon im Bett, gib' mir 24 Stunden fuer mehr Info's!

    Fair winds Dody
    Dody Senator Senator Posts:285
    --
    20.05.15 um 23:51
    Hi Oliver,

    hier jetzt also wie versprochen Alec's Ratschlaege, uebersetzt und halbwegs geordnet. Das Thema ist extrem Umfangreich, ich versuche es auf das notwendigste zu reduzieren:

    1. vermeide um jeden Preis Material zu mischen wenn Du Dir keine zusaetzlichen Probleme bescheren willst. Dabei geht es nicht alleine um die Reaktion zwischen den Metallen an sich, sondern ganz besonders auch um unterschiedliche Verhaltens- und Reaktionsweisen der einzelnen Legierungen sowohl beim schweissen selbst, als auch hinterher beim Benutzen des Schiffes. Ist Dein Schiff aus Cortenstahl gebaut, verwende fuer die Reparaturen Corten-Stahl. Geht es aus irgendeinem Grund absolut nicht anders, nehm' es wie es kommt und leb' damit.

    2. Handflaechengrosse Stuecke austauschen macht nur in ganz ganz wenigen Ausnahmefaellen Sinn und richtet in der Regel mehr Schaden an der Gesamteinheit an als es was gutes tut. Die Hitze die bei jeder einzelnen Schweissnaht entsteht breitet sich ueber eine grosse Flaeche aus, auch das umliegende Metall expandiert und veraendert seine Form, ungewollt und unbeabsichtigt entstehen ploetzlich Beulen (Erhoehungen, Vertiefungen, Verformungen) an Stellen die Du gar nicht angefasst hast. Wo immer es geht, tausche komplette Platten aus. Es ist nicht nur weniger Arbeit (die Inneneinrichtung in dem gesamten Bereich muss so oder so 'raus), Du verrringerst damit die Distorsion gewaltig

    3. Schweissgeraet. Es ist eine Sache zu Hause mal eben was lustiges fuer's Wohnzimmer zusammenzubrutzeln oder 'ne Reparatur an Farmequipment zu machen die man notfalls in 3 Tagen nochmal und dann besser machen kann, ODER ein Schiff zu schweissen.
    MIG-welding geht zwar rasend schnell, ist aber, selbst wenn die Schweissnaht oberflaechlich gut aussieht unzuverlaessig, delikat, sensibel und der Erfolg von einer Unzahl Faktoren abhaengig was fuer jemanden der bisher noch nichts mit Schweissen zu tun hatte unmoeglich ist zu erkennen - ganz besonders wenn er/sie sich auf die Qualitaet der Schweissnaht mit seinem Leben verlassen muss.
    Alec benutzt TIG nur fuer Feinst-Schweissarbeiten bei duennem Edelstahl wo es um winzige Naehte geht und ein perfektes Finish.
    Alec's Rat: das einzige Schweissverfahren das robust ist und mit Uebung immer ein zuverlaessiges Ergebnis bringt ist arc-welding (die Bezeichnung ist natuerlich Bloedsinn, weil alles mit arc arbeitet, gemeint ist stick-welding was in Deutsch "Elektroden-Schweissen" sein koennte?????)

    4. Schweissen fuer den Hausgebrauch und Schweissarbeiten an einem Schiff sind 2 voellig unterschiedliche paar Schuhe. Beim Hausgebrauch (oder Farmgebrauch) hat die einzelne Schweissnaht sicher Auswirkungen auf das umgebende Metall, allerdings in einem voellig anderen Umfang als bei einem Schiff. Um Schweissarbeiten an einem Schiff durchzufuehren ist es wichtig zu wissen in welcher Reihenfolge man das ganze Anpackt und ein Gefuehl dafuer bekommt in welche Richtung sich das Metall strecken wird, wie man die distortion auf ein Minimum haelt, wieviel Schweissnaht noetig und wieviel zu viel ist etc.

    Alec's Rat an Dich in der Reihenfolge wie er es aufgezaehlt hat:

    1. Falls Dein Schiff noch schwimmfaehig ist, segele es an einen Ort an dem es erfahrene Stahlschiffbauer gibt oder organisiere Dir jemanden der sich auskennt und der zu Dir kommt und die Arbeiten vor Ort ausfuehrt.

    2. Es ist klasse dass Du das lernen moechtest, lerne es dann aber richtig denn Dein Leben wird eines Tages davon abhaengen. Es gibt Schulen an denen man das Schweissen lernen kann, oft auch Abendschulen. Nach etwa einem halben Jahr wirst Du das wichtigste wie die einzelnen Typen von Schweissnaehten fuer die unterschiedlichen Anwendungszwecke ziemlich im Griff haben. Nimm' Dir dann die Zeit Dich wenigstens mit Buechern soweit in das Thema zu vertiefen dass Du verstehst wie die unterschiedlichen Staehle arbeiten in dem Moment in dem Du sie mit der Schweisselektrode beruehrst.

    3. Alternativ, wenn Du einen Kumpel hast der Stahlschiffbauer ist und Dich anleitet und unter seine Fittiche nimmt, dann mach' das natuerlich!

    Wie sagte er so schoen: it's too much to "just" do it.

    Wir wuenschen Dir viel Glueck fuer die Richtige Entscheidung!

    Fair winds
    Dody (& Alec)



    Dody Senator Senator Posts:285
    --
    22.05.15 um 01:28
    Hi Oliver,

    nachdem ich jetzt Alec meinen Text vorgelesen hab' kam: sag' ihm noch das, das, und das, und vergess' das nicht! Hier jetzt also mein Versuch:

    - wir haben 'rausgefunden dass TIG und WIG das gleiche ist. T in TIG steht fuer Tungsten was in Deutsch Wolfram heisst und sich auf das Material der Spitzen bezieht die in die Schweisshalterung gesteckt werden.

    Praxistips von Alec:

    - je kleiner die Stuecke die Du ersetzt, um so wichtiger ist es rechtwinklige Ecken zu vermeiden, benutze Rundungen mit grossem Radius, je groesser desto kleiner die Teile sind.
    - verbinde auf keinen Fall kleine Reparatur-Patches mit Verstaerkungen die fuer die Struktur des Schiffes wichtig sind (Stringer, Frames, Intercostals ...), es ist unglaublich wichtig groessere Stuecke zu tauschen anstelle kleinst-Stueckchen.
    - benutze das absolute Minimum an Ampere das noetig ist die Schweissnaht zu machen. Lass' Dich nicht von dem Irrglauben verleiten dass die Eindringtiefe besser ist weil die Amperage hoeher ist. Je mehr Amps Du benutzt, desto mehr Hitze verursachst Du und desto mehr Distortion (Verwindung???) provozierst Du. Du kannst, mit zuviel Amps, die gesamte Struktur schwaechen. Ausserdem kommt es zu etwas was "undercut" genannt wird. Beim "undercut" hast Du eine rundlich gebogene und mittig erhoehte Schweissnaht zwischen den beiden Platten die aber nicht hoch und entlang der Seitenkante der Platten geht. Entstehen tut das weil Du mit zu hohen Amps die Elektrode zu schnell bewegen musst und damit nicht genug Metall in die Schweissnaht fliessen kann.
    -  benutze "3-step-backstep-welding", niemals eine lange, nicht endende Schweissnaht an einem Stueck. Backstep-welding funktioniert so: die erste Schweissnaht (maximal eine halbe Elektrode lang) am Kielbereich zum Kielbereich gehend. Dann lass' 2 Luecken von der gleichen Laenge und mach' die 2. Schweissnaht, wieder von aussen nach innen gehend so, dass Du am Ende von der 2. Luecke abschliesst. Wieder 2 Luecken und das ganze Spiel von vorne. Hast Du das bis zum aeusseren Ende der Platte, geh' zur naechsten nach aussen laufenden Naht, gleiches Spiel. Dann die naechste Naht etc.. Wenn die erst Naht absolut abgekuehlt ist kannst Du dahin zurueckgehen und die jeweils 2. Luecke fuellen, wieder von aussen nach innen. Alec meint wenn Du 60 von diesen 1/2 Elektoden-Naehten am Tag schaffst hast Du den Durchbruch gepackt!!!
    - Keine einzige Schweissnaht sollte ausgefuehrt werden, solange nicht das komplette Teil in seinen Platz ge-tack-welded ist.
    - Ganz wichtig: Schweisse zuerst innen alles komplett bevor Du aussen anfaengst.
    - Schweisse immer zuerst alles quer zur Schiffsachse bevor Du in Schiffslaengsachse schweisst.
    - Schweisse immer von der Mitte zu den Enden hin und vergess bloss nicht das 3-step-backstep-welding zu benutzen.
    - halte den Durchmesser der Elektroden klein, er sollte nie groesser sein als die Haelfte der Plattenstaerke, ausser wenn Du extrem schwere Strukturen schweisst wie zum Beispiel den Kiel.
    - Alec empfiehlt Dir DC-welding und 6012 oder 6013 Elektroden und benutz' sie mit electrode-negative. Fuer hochfeste Schweissnaehte wie zum beispiel an Puettingen, mooring-bollards, lifting-eyes etc. ...) 7016 oder 7018 Elektroden und benutz' electrode-positive.
    - Alle Farben sind giftig, Zink- und Epoxy-Farbe wenn sie verbrennen mit dem Schweissen, koennen toedlich sein. Besorg' Dir einen starken Elektroluefter an den Du Schlaeuche in grossem Durchmesser anschliessen kannst um die Daempfe nach aussen zu fuehren. Nimm' das bitte sehr ernst, es ist kein Witz! Falls das irgendwo ueberhaupt nicht moeglich sein sollte gibt es gekapselte Schweisshelme zu kaufen. Notfalls Atemmaske und Handheld-Schweisschirm, was das ganze ziemlich unbequem und kompliziert macht.

    Alright, soweit schon mal ein paar grobe Schiffsspezifische Hilfen. Ich weiss nicht wie gut Dein Englisch ist, und ich weiss nicht was es da in Deutscher Sprache im Angebot gibt. Falls Dein Englisch halbwegs passabel ist und Du Internet haben solltest, auf Internet gibt es eine ganze Menge Tutorials die teils sehr informativ sind. Ganz besonders empfehlenswert finde ich (und Alec auch) was ein Typ Namens "ChuckE2009" auf Youtube zu dem Thema eingestellt hat, setz' Dir auf jeden Fall Deinen Schweisshelm auf bevor es losgeht . Es wird Dir auf jeden Fall helfen den ersten Pusch zu bekommen, und Du findest leicht Links zu vielen anderen Tutorials.

    Falls Du Dich jetzt aber doch lieber mit dem Gedanken beschaeftigen moechtest, dass es jemand anderes fuer Dich macht hier ein paar Hinweise:

    Es gibt viele gute Schweisser, aber es gibt nur wenige die gut genug sind ein Schiff zu schweissen. Und selbst da gibt es Unterschiede. Denk' nur mal an die Unterschiede an Materialstaerken zwischen einem 300 m Cargo-Schiff, einem Tug-boat und einem 12 m oder was auch immer Segelschiff. Konstruktion und verwendete Materialstaerken sind voellig unterschiedlich, auch wenn beides letzten Endes schwimmt.

    BS-Detector= Bullshit-detector: wen auch immer Du begeistern kannst falls Du es doch nicht selbst in Angriff nehmen moechtest, arte nicht gleich in Jubelschreie aus! Sieh' Dir zu allererst Beispiele von seiner Arbeit an und stelle ihm Fragen. Eine der wichtigsten sollte sich auf seine sequence (Reihenfolge?) beim Schweissen beziehen.

    Naja, jetzt wuenschen wir Dir viel Glueck und druecken die Daumen, lass' was von Dir hoeren wie es ausgeht!
    Fair winds
    Dody (& Alec)
    Skipper D Segler Segler Posts:6
    --
    22.05.15 um 23:25

     Hallo Oliver
     Nicht verzagen Dody und Alec fragen!
    Habe seine Schweisstechnick schon in Nazaré bewundern können.
    Grüsse  Skipper D. 
    SY Jatinga 
    Oliver Segler Segler Posts:7
    --
    26.05.15 um 20:42
    Hallo Josef, Dode, Alec und Skipper D!

    Vielen Dank für Eure hilfreichen Antworten.

    Ich habe ja noch immer Hoffnung einen qualifizierten Schweißer über den örtlichen Yachtservice zu bekommen.

    Die nächsten Schritte sind aktuell, solange das Boot noch auf dem Bock steht, intensiv nach möglichen weiteren Korrosionsschäden zu suchen und an den kritischen Stellen den Innenausbau zu demontieren.

    Ansonsten werde ich den Vorschlag mit dem Schweißkurs aufnehmen, üben und von meinen Fortschritten berichten.


    Keep on Sailing
    Oliver
    Oliver Segler Segler Posts:7
    --
    13.11.18 um 21:36
    Hallo an Alle!
    Nach doch etwas längerer Abstinenz hier im Forum komme ich noch mal auf das Thema zurück um kurz von demErgebnis zu berichten.
    Mir ist es letztendlich doch zu kritisch gewesen, die Sachen selbst zu schweißen, da die Schweißstellen doch an sehr ungünstigen Stellen lagen und mir die ganze SAche dann doch zu heikel wurde es selbst zu machen.
    Nochmal vielen Dank für die Tipps!

    Viele Grüße
    Oliver
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